Gutes Sehvermögen ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine sichere Teilnahme am Strassenverkehr.
Dies gilt für Autofahrer aber aufgrund der geringeren "Knautschzone" insbesondere auch für Fußgänger und Motorrad- und Radfahrer. Nach größeren Statistiken schätzt man, daß der Anteil der Unfälle der durch schlechtes Sehvermögen verursacht wird , in der gleichen Größenordnung liegt, wie der der durch Alkoholeinfluß verursachten, nämlich ca. 7% aller Unfälle. Leider kommt die Unfallursache "Schlechtes Sehvermögen" oder "Sehmangel" in der amtlichen Unfallstatistik nicht vor und hat daher politisch leider keine Konsequenzen. Der Berufsverband der Augenärzte geht von 300.000 Unfällen pro Jahr durch schlechtes Sehvermögen aus. Studien zeigen auch immer wieder, daß die Selbsteinschätzung wie gut das eigene Sehvermögen noch sei, in vielen Fällen ganz und gar nicht mit dem tatsächlichen Sehvermögen in Einklang zu bringen ist. Vor allem sich langsam entwickelnde Verschlechterungen werden häufig nicht wahrgenommen und mancher, der sich noch für voll tauglich hält, ist in Wahrheit fahruntüchtig.
Eine Studie aus 2016 (TNS Infratest) befragte 2200 Autofahrer nach einer Einschätzung ihrer Sehkraft und untersuchte sie anschließend. 59% überschätzten ihre Sehkraft. Gleichzeitig fiel auf, dass mit zunehmendem Alter, die Zustimmung zu verpflichtenden Sehtests, auch nach dem Führerscheinsehtest, abnahm. Nach Bestehen des Führerscheinsehtests ist eine Überprüfung der Sehfähigkeit alle 5 Jahre, leider nur für Lastwagenfahrer und die Personenbeförderung (Taxi, Bus) vorgeschrieben aber für jeden Verkehrsteilnehmer (PKW/ Motorrad) von Zeit zu Zeit sinnvoll. Ihr Augenarzt bietet Ihnen gerne einen kleinen “Fahrtüchtigkeits-Check” aus augenärztlicher Sicht an. Einen Schritt weiter geht der TÜV Süd, der dort angebotene “Fitness-Check” beinhaltet eine verkehrsmedizinische Untersuchung, Tests zu Reaktion und Konzentration, sowie einen praktischen Fahrcheck. Das Ergebnis ist vertraulich und hat keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Fahrerlaubnis. Im Jahr 2013 trat die jüngste EU-Führerscheinreform in Kraft. Bis dahin war der Führerschein ein Leben lang gültig - zumindest in Deutschland. Das hat sich nun geändert: Alle 15 Jahre müssen Autofahrer ihren Führerschein neu beantragen. Dabei müssen sie jedoch nicht viel mehr vorweisen als einen Lichtbildausweis. Eine erneute EU-Reform in 2024, die Pflichttests für ältere Autofahrer einführen wollte, scheiterte vor allem an Deutschland. Es bleibt in Deutschland also alles bei freiwilligen Überpüfungen bei Augenarzt oder TÜV. In weiten Teilen Europas ist das anders: Die meisten Länder fordern ab einem gewissen Alter die ärztliche Überprüfung der Fahrtauglichkeit. In Dänemark ist ab dem 80. Lebensjahr jährlich eine ärztliche Überprüfung Pflicht. In Luxemburg muss ab dem 60. Lebensjahr, in Spanien ab dem 65. Lebensjahr und in den Niederlanden ab dem 75. Lebensjahr eine ärztliche Untersuchung vorliegen. Bei letzten beiden, muß sie alle 5 Jahre wiederholt werden. In Portugal wird der Führerschein bis zum 50. Lebensjahr formell verlängert, danach muss sich der Fahrzeugführer alle 5 Jahre und ab 70 sogar alle 2 Jahre ärztlichen und psychologischen Tests unterziehen. In Deutschland wird dies leider ohne erneute Tauglichkeitsprüfung (z.B. Sehtest) umgesetzt werden, obwohl gerade im höheren Alter, durch subjektiv häufig lange nicht merkbare Veränderungen der Augen, die Sehfähigkeit stark nachlässt. Auch nicht autofahrende Senioren müssen hinsichtlich ihrer Verkehrstauglichkeit im Auge behalten werden. Im Jahr 2021 waren 33,9 Prozent der Verkehrstoten über 65 Jahre alt. Dabei machen sie nur 22,1 Prozent der Bevölkerung aus und dies bezieht sich auf Verkehrsteilnehmer jeder Art.
Unter dem Sehvermögen versteht man die Gesamtleistung des Sehorgans, also des Auges und der zugehörigen Zentren im Gehirn. Dies beinhaltet nicht nur die Sehschärfe - die man vom Sehtest her gewohnt ist - sondern auch das Sehen bei Dämmerung und im Dunkeln, das Gesichtsfeld, die Zusammenarbeit der Augen, das Farbensehen und das 3D-Sehen (Punkte siehe unter Diagnostik). Alle diese Einzelleistungen müssen getrennt geprüft werden und können bei Einschränkungen bereits für sich allein die Teilnahmefähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigen bzw. das Unfallrisiko, insbesondere in bestimmten Verkehrssituationen, erhöhen. Mit zunehmendem Alter gibt es hier leider in all diesen Teilbereichen Abfälle, die die Fahrtauglichkeit einschränken aber von vielen Menschen ausgeblendet werden (“Aber Herr Doktor, ich sehe doch noch alles”). Wenn auch nicht zum Begriff Sehvermögen gehörend, ist darüber hinaus die Blendempfindlichkeit ein weiterer bedeutsamer Faktor im Straßenverkehr. Was bedeuten nun diese einzelnen Begriffe, wie werden sie getestet und inwieweit beeinflussen sie unsere Verkehrstauglichkeit ?
Die Sehschärfe ist die maximale Fähigkeit des Netzhautzentrums (Makula) zwei Punkte mit hohem Kontrastunterschied (schwarz zu weiß) noch getrennt zu erkennen oder praxisnäher, ein schwarzes Zeichen auf weißem Hintergrund von einem anderen zu unterscheiden. Verwendet werden hier sogenannte Sehtafeln auf denen Zahlen, E-Haken oder die für genaue Prüfungen (z.B. Führerscheinsehtest) vorgeschriebenen Landoltringe abgebildet sind. Je kleiner das erkannte Zeichen, desto besser die Sehschärfe bzw. der Visus wie er genannt wird. 1,0 entspricht dabei vereinfacht 100% und somit normalem Sehvermögen und 0,5 z.B. ist halt nur 50% Sehvermögen. Die Sache wird noch komplizierter, da man die sogenannte Tagessehschärfe von der Fähigkeit in der Dämmerung zu sehen (Dämmerungssehschärfe) und vom Sehen bei Dunkelheit unterscheiden muß. Durch Anpassungsvorgänge des Auges auf den geringen Lichteinfall werden die Gegenstände in der Dämmerung unschärfer und grauer bis man schließlich im Dunkeln nur noch Grautöne und keine Farben mehr erkennen kann. Die Sehschärfe fällt in der Dämmerung auf ungefähr die Hälfte und in der Dunkelheit auf 10% der Tagessehschärfe ab. Das heißt wer tagsüber nicht optimal sieht, erkennt nachts noch weniger. Die Hälfte von 100% beim Normalsehenden sind nun mal mehr als die Hälfte von 50% z.B. bei einem Seheingeschränkten. Die Bedeutung der Sehschärfe für den Straßenverkehr liegt darin, dass um so schlechter die Sehschärfe, um so später wird die kritische Verkehrssituation erkannt und um so kürzer ist die Entfernung und damit die Zeit zur Reaktion. Auf bis zu 25m Entfernung können gut sehende Autofahrer dunkel gekleidete Personen in der Dämmerung zu Fuß erkennen aber 28m ist der Anhalteweg bei Gefahrbremsung aus Tempo 50. Um wieviel kritischer wird es bei schlechterem Sehvermögen und höherer Geschwindigkeit. Wenigstens sind Personen mit reflektierender Kleidung bis zu 140m erkennbar. Die typischen Unfallsituationen für Kraftfahrer mit herabgesetzter Sehschärfe sind Überholmanöver im Überlandverkehr, also auf der Landstrasse, Abbiege- und Wendemanöver und Einfahrten auf eine vorfahrtberechtigte Strasse. Fazit für den Fahrer mit herabgesetzter Sehschärfe: "Wenn’s zu wenig ist, nicht mehr fahren und wenn’s nur leicht ist, langsamer fahren, um einen Ausgleich für das verspätete Erkennen zu haben". Was zu wenig ist und was nicht, sollte von einem Fachmann überprüft werden, da Studien immer wieder zeigen, dass die Selbsteinschätzung und die Realität zwei Dinge sind. Subjektiv bemerkbar macht sich das schlechte Sehvermögen ja nur in diesen kritischen Situationen, ansonsten wird die Umgebung und die Strasse ja noch gut erkannt und deswegen meint der Betroffene: "Ich seh doch noch alles". Leider aber eben zu spät. Gründe für die Herabsetzung der Sehschärfe sind meist Sehfehler, die durch Brillen etc. ausgeglichen werden können. Einen sehr schönen Simulator, wie man im Strassenverkehr mit welchem Sehfehler (Kurz- und Weitsichtigkeit bzw. Hornhautverkrümmung) sehen kann, finden Sie HIER. Der nächste Grund für herabgesetzte Sehschärfe sind Trübungen wie der Graue Star oder Hornhautveränderungen bei denen lediglich Operationen in Frage kommen. Problematischer und meist nicht zu beheben sind Netzhautprobleme wie die Makulopathie oder gar Schäden in der Weiterleitung zum Gehirn (Sehnerv) oder im Sehzentrum selbst. Oft vergessen wird die Herabsetzung der Sehschärfe durch Alkohol (s.u.). Nicht unterschätzt werden sollten auch Einschränkungen der Sehschärfe, deren Ursache ausserhalb des Auges liegt. Neben der schon beschriebenen Einschränkung durch Dunkelheit und Trübungen im Auge, fallen hierunter schmutzige Windschutzscheiben, starker Regen und insbesondere Nebel. Im Nebel erscheint alles weiter entfernt, weshalb viele Autofahrer einen zu geringen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug halten. Die Entfernungseinschätzjung ist eingeschränkt. Also bei schlechter Sicht immer mehr Abstand beim Autofahren ! Die Brillengläser sollten auch nicht beschlagen sein, wie dies beim feuchten Auto im Winter und beim Tragen von Masken seit Corona häufig vorkommt. Hier kann ein Antibeschlagtuch helfen. Wird der Führerscheinsehtest ohne Brille nicht bestanden, dass heißt die für den jeweiligen Führerschein notwendige Sehschärfe nicht erreicht, kommt unten links auf die Rückseite des Führerscheins im Feld 12 eine Codeziffer. 01.06 bedeutet z.B.: Fahren nur mit Brille oder Kontaktlinsen erlaubt. Die Auflistung der verschiedenen Codes bzw. Schlüsselzahlen auf dem Führerschein finden Sie HIER.
Das Gesichtsfeld ist der Bereich, den wir ohne Kopf und Augen zu bewegen gleichzeitig überblicken können. Zu Testmethode und Weiterem siehe unter Gesichtsfeld. Für den Straßenverkehr bedeutsam ist das beidäugige Gesichtsfeld, dass heißt die Überlagerung der Gesichtsfelder beider Augen. Ursachen für Ausfälle können unter anderem der Grüne Star, Schlaganfälle, Schädelverletzungen oder Hirntumore sein. Wird ein Ausfall durch das andere Auge ausgeglichen, ist dies noch akzeptabel, fehlen jedoch wichtige Areale auf beiden Seiten (vergleiche auch das Beispiel “Homonyme Anopsie” auf der Seite Gesichtsfeld) komplett werden in entsprechenden Verkehrssituationen (Spurwechsel, Kinder betreten plötzlich die Fahrbahn etc.) Dinge übersehen und Unfälle sind vorprogrammiert. Ein sehr großes Problem, stellt die Tatsache dar, dass Patienten mit Gesichtsfeldausfällen diese meistens gar nicht selber wahrnehmen. Das Gehirn ist darauf trainiert sozusagen daran “vorbeizugucken“. Es fällt daher häufig schwer den Patienten diese Problematik zu vermitteln. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass kein PKW-Fahrer gezwungen ist, sich solch einem Test zu unterziehen und das Gesetz Tests lediglich bei höheren Führerscheinklassen (Bus, LKW) vorsieht. Zur Therapie von solchen Ausfällen muß man leider sagen, dass lediglich abwarten hilft ob sich das Gehirn nach einem Schlaganfall wieder erholt und der ausgefallene Bereich wieder funktionsfähig wird. Bei Schäden durch den Grünen Star kann die Behandlung nur eventuell eine Verschlimmerung verhindern. Einmal ausgefallene Areale sind leider "hin". Trainingsprogramme, durch vermehrte Blickbewegungen die fehlenden Bereiche auszugleichen, stellen im Alltag zwar eine Hilfe dar, sind für die Wiederherstellung der Verkehrstauglichkeit jedoch ungeeignet. Von hoher Bedeutung ist auch die Aufmerksamkeit und der Wachheitszustand, da Veränderungen im äußeren Bereich des Gesichtsfeldes bei Ermüdung und unter Medikamenten/Drogen/Alkohol nicht mehr wahrgenommen werden, es kommt zu einem sogenannten “Tunnelblick”. Unterstützt wird das Gesichtsfeld der Verkehrsteilnehmer neuerdings durch “Toter-Winkel-Assistenz”-Systeme. Ca. 9500 schwere Unfälle ereignen sich in Deutschland jährlich, weil ein schräg hinter dem eigenen Auto fahrendes Fahrzeug übersehen wurde. Die sicherheitsbedingt und manchmal auch designbedingt verstärkten A- und B-Säulen der Autos vergrößern den sogenannten “Toten Winkel” sehr stark. Nahbereichsradarsensoren erkennen problematische Autos und ein Blinklicht im Seitenspiegel bzw. ein Warnton bei trotzdem versuchtem Spurwechsel machen den Fahrer auf die Situation aufmerksam.
Auch normal sehtüchtige Kraftfahrer geraten in der Dämmerung und bei Nachtfahrten leicht an die Grenzen der Leistungsfähigkeit ihrer Augen. Schlecht erkennbare Objekte im Straßenverkehr, wie z.B. dunkel gekleidete Fußgänger werden leicht zu spät erkannt. Weniger als ein Viertel aller Fahrten in Deutschland finden während der Nacht statt aber 40% aller Verkehrstoten sind bei Dunkelheit zu beklagen. Bei den tödlich verunglückten Fußgängern sind es sogar 72% (Quelle statistisches Bundesamt). Zu bedenken ist daher wieder das obige Prinzip: Je schlechter das Sehvermögen - und nachts ist es bei jedem schlechter als tags - desto später werden Dinge erkannt, d.h. die Geschwindigkeit sollte niedriger sein als tags um noch zeitgerecht reagieren zu können. Jeder 5. Autofahrer hat Nachtsehstörungen !
Ein Beispiel dazu:
Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Unfällen bei Dämmerung und Dunkelheit in 2016:
Verschlimmert werden die Sehprobleme noch durch eine hohe Blendempfindlichkeit. Durch erhöhte Blendung ist die Netzhaut so überreizt, dass das Erkennen von Gegenständen erschwert ist. Im Extremfall, wenn auf Kuppen plötzlich grelles Fernlicht der entgegenkommenden Autos in die Augen kommt, kann Blendung bis zur vorübergehenden völligen Orientierungslosigkeit auftreten. Der Fachausdruck ist "Disability Glare". Es gibt spezielle Geräte um das Dämmerungssehvermögen und die Blendempfindlichkeit zu testen. Ergeben sich hier Einschränkungen, sollte man sein Fahrverhalten entsprechend anpassen und nachts oder bei regennassen Strassen (verstärkte Blendung) langsamer oder gar nicht fahren. Untersuchungen haben ergeben, dass solche Fahrer ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Dunkelheitsunfall haben.
In einer Studie wurde ein vermindertes Dämmerungssehvermögen bei Verunfallten mit einer Häufigkeit von 15,4% gegenüber einer Häufigkeit von 4% in der Allgemeinbevölkerung festgestellt. Die Blendempfindlichkeit war sogar mit einer Häufigkeit von 17,2% bei den Verunfallten gegenüber 7,6% bei der Allgemeinbevölkerung erhöht.
Es gibt anlagebedingt hier Schwachpunkte - an denen sich dann auch nichts verändern lässt - und zusätzlich krankheitsbedingte wie die Nachtblindheit). Auch unabhängig von Erkrankungen verschlechtert sich das Dämmerungssehvermögen und die Blendempfindlichkeit mit zunehmendem Alter. Ab dem 50. Lebensjahr ist davon auszugehen, dass eine allgemeine Abnahme der Sehschärfe bei Dämmerung und in der Nacht vorliegt. Zwischen 50 und 59 sind 11,5% aller Verkehrsteilnehmer nachts nicht mehr fahrtauglich, ab dem 60. Lebensjahr sogar ca. 20%. Bei den über 70-jährigen liegt der Anteil der für das nächtliche Fahren ungeeigneten Fahrer bereits ohne Blendung bei 35% und mit Blendung bei 54% !!! Durch die schleichende Entwicklung ist dies dem Autofahrer in der Regel nicht bewusst und sollte ein Grund sein ab dem 45. Lebensjahr dies von Zeit zu Zeit überprüfen zu lassen, insbesondere da das deutsche Führerscheinrecht keine Überprüfungen des Dämmerungssehvermögens und der Blendempfindlichkeit beim PKW-Fahrer nach dem Erhalt des Führerscheins vorsieht. Bei LKW-, Bus- und Taxifahrern ist dies glücklicherweise im Rahmen der regelmäßigen Nachprüfungen erstmals am 1.6.2011 eingeführt worden.Hauptursache für die Verschlechterung im Alter ist die zunehmende Streulichtentwicklung durch altersbedingte Trübungen in den klaren Strukturen des Auges (z.B. Grauer Star). Es legt sich ein Lichtschleier über die Netzhaut der den Kontrast vermindert. Zu bedenken ist hier auch, dass schon bei geringeren Trübungen die daraus entstehende Blendempfindlichkeit und das verminderte Kontrastsehen nachts bzw. bei Nebel zu starken Seheinschränkungen führen kann, auch wenn tags noch 100% Sehvermögen vorliegt. Insofern kommt der Messung des Kontrastsehens eine höhere Bedeutung zu als der Messung der Sehschärfe im reinen Sehtest. Es kommt bei manchen Erkrankungen vor, dass man im Sehtest noch volle 100% hat und im Alltag die zahlreichen feineren Helligkeitsstufen nicht mehr unterscheiden kann und deswegen nur unscharf sieht (Näheres unter Diagnostik, Unterrubrik [Kontrast- und Dämmerungssehen]. Zu bedenken sind auch Zustände nach Operationen. Sowohl die LASIK als auch multifokale Linsen nach der Operation des Grauen Stars, schränken die Nachtfahrtauglichkeit ein. Auch Veränderungen der Pupillenreaktion und Erkrankungen von Hornhaut, Netzhaut und Sehnerv führen zu Einschränkungen in diesem Bereich.
Was kann man nun tun ?
Anpassung der Geschwindigkeit an das eingeschränkte Nachtsehen. Das Abblendlicht reicht nur 70-80m weit. Bei hoher Geschwindigkeit ist der Reaktions- und Bremsweg evt. länger. Fernlicht reicht immerhin 200m und Laserlicht bis zu 600m. Das verbleibende Gefühl des “im Dunkeln tappens”, hat auch mit der Tatsache zu tun, dass unsere Augen tagsüber bis zu 4,7km weit schauen können.
Frühzeitiges Anschalten des Fahrlichtes zur besseren Erkennbarkeit für andere in der Dämmerung.
Vermeiden von kritischen Situationen (z.B. bei erhöhter Blendempfindlichkeit nicht bei Regen fahren).
Evt. Behandlung von Krankheiten (Operation des grauen Stars, Behandlung des trockenen Auges z.B.)
Die passenden optischen Verhältnisse. Letzteres heißt, ungetönte von innen und außen gereinigte Autoscheiben und ungetönte und reflexgeminderte (entspiegelte) Brillengläser.
Warum ungetönte Gläser wenn man doch eventuell blendempfindlich ist ? Jede Tönung lässt weniger Licht durch. In Versuchen wurde bewiesen, dass diese Verminderung an Helligkeit mehr die Erkennbarkeit behindert als der Gewinn durch die Blendminderung ausmacht. Das gilt übrigens auch für die Gelbfilterbrillen (sogenannte "Nebelbrillen"). Hier gibt es einen erstaunlichen psychologischen Effekt der Kontraststeigerung (die Welt sieht "sonniger" und dadurch scheinbar heller aus), der jedoch nicht zu einer wirklich verbesserten Erkennbarkeit führt, denn - wie schon gesagt - alle gefärbten Gläser haben einen lichtdämmenden Effekt - Gelbfilterbrillen bis zu 15%.
Warum Entspiegelung ? Weil nicht entspiegeltes Brillenglas 10% des Lichtes schluckt. Die Windschutzscheibe tut das auch schon, da sie nie entspiegelt ist. Kommt noch eine Tönung hinzu kann es zu insgesamt 40-50% Lichtverlust kommen. Dies mag tags bei hellem Sonnenschein kein Problem sein aber Nachts und in der Dämmerung ist dies sehr kritisch.
Bei Gegenlicht während der Fahrt zur Vermeidung von Blendung und in der Folge noch schlechterem Sehen nicht in das Licht schauen, sondern z.B. auf die seitliche Farhbahnmarkierung. Alkohol beeinflusst übrigens nicht nur das Reaktionsvermögen, sondern auch den Tränenfilm, was zu Verschlechterung des Kontrastsehens und erhöhter Blendempfindlichkeit führt.
Den Versuch einer technischen Lösung stellen die neuen intelligenten Lichtsysteme in Autos mit dynamischer Lichtverteilung und automatischer Abblendung dar.
Es gibt übrigens auch vereinzelte kurzsichtige Personen, die nachts eine andere Brille brauchen. Hier handelt es sich um die sogenannte “Nachtmyopie” oder Nachtkurzsichtigkeit.
Auch als Fußgänger kann man helfen. Dunkel gekleidete Personen sind nachts maximal auf 25m erkennbar, während reflektierende Materialien auf der Bekleidung die Entfernung der Erkennbarkeit auf 140m hochschrauben können.
Durch Schäden oder Erkrankungen der steuernden Nerven und Gehirnzentren kann es zu Problemen bei der Zusammenarbeit der Augen kommen. Blicke in bestimmte Richtungen sind nicht mehr möglich oder es treten dauerhaft oder zeitweise Doppelbilder auf. Dann liegt Fahruntauglichkeit vor. Bei seit der Kindheit bestehendem Schielen bestehen keine Doppelbilder (werden im Gehirn unterdrückt, man sieht nur mit einem Auge gleichzeitig) und nach dem Gesetz besteht zumindest Fahrtauglichkeit für PKWs. Das etwas eingeschränkte Gesichtsfeld (es gibt kein beidäugiges Gesichtsfeld in diesen Fällen) sollte einem jedoch bewusst sein. Ursachen für die Entstehung von Doppelbildern im Erwachsenenstadium sind z.B. die Zuckerkrankheit, Schädelverletzungen, Schlaganfälle, Tumore oder ausgeprägtes verstecktes Schielen. Solange die Grunderkrankung nicht soweit therapierbar ist, dass das Schielen wieder verschwindet, besteht die Fahruntauglichkeit weiter.
Störungen des Farbensehens (Farbschwäche oder gar Farbenblindheit) sind für den Straßenverkehr von untergeordneter Bedeutung. Kritisch ist lediglich die Rotschwäche. Bei schlechten Lichtverhältnissen (Nebel, Schnee, Nachts) erkennt der Normalsichtige ein Auto ja häufig nur noch an den roten Rücklichtern. Der hier Eingeschränkte erkennt das Auto dann entsprechend später oder zu spät. Der typische Unfall eines Roteingeschränkten ist der Auffahrunfall bei schlechter Sicht. Am 1.6.2011 wurden die vorher vorhandenen Grenzwerte für Berufskraftfahrer unverständlicherweise vom deutschen Gesetzgeber abgeschafft. Seitdem dürfen Rotblinde Berufskraftfahrer (Bus und Lastwagen) auf den Strassen unterwegs sein ! Ist einem eine solche Schwäche bekannt (Test des Farbsehens), sollte man unter schlechten Sichtverhältnissen entsprechend langsamer fahren. Therapeutisch gibt es kaum Möglichkeiten, da diese Sehfehler in der Regel angeboren und nicht behandelbar sind. Bei den erworbenen Farbschwächen liegen manchmal rückgängigzumachende Veränderungen vor. Ein Beispiel ist der Farbempfindlichkeitsverlust durch altersbedingte Trübungen der Linse (Grauer Star). Ein 55-jähriger hat auch im gesunden Zustand 35% Farbempfindlichkeitsverlust gegenüber einem 19-jährigen, obwohl man hier noch nicht von Grauem Star sprechen würde. Bei ungewöhnlichen Farbschwächen muß gegebenenfalls eine genaue Ursachenforschung betrieben werden.
Das dreidimensionale oder auch räumliche Sehen ist hauptsächlich bei Rangiermanövern von Bedeutung und ist in den gesetzlichen Vorschriften (FEV = Führerscheinerlaubnisverordnung) für PKW-Fahrer (Klasse B = ehemals 3) gar nicht erst erfasst. Doch jeder, der mal nachts versucht einäugig zu fahren, wird den entscheidenden Unterschied in der Einschätzung der Verkehrssituation an Engstellen merken. Das dreidimensionale Sehen kann getestet werden. Ab Klasse CE (früher 2) ist vorhandenes räumliches Sehen für Führerscheinneuerwerber inzwischen jedoch Pflicht.
Wichtig ist natürlich auch die Konzentration auf das, was es zu sehen gibt. Der Strassenverkehr sollte die ganze Aufmerksamkeit beanspruchen, nicht die zahlreichen ablenkenden Dinge im Auto. Gedankenverloren kann jeder mal sein und sollte sich dann am Riemen reissen aber bei einer amerikanischen Studie zeigte sich, daß selbst bei den in ihrem Sehvermögen schon langsam abnehmenden über 65-jährigen Fahrern, 56% ihr Mobiltelefon während der Fahrt benutzen, 39% ihr Navi während der Fahrt bedienen und 3% sogar Textnachrichten versenden. Gerade beim älteren Menschen überfordert die komplizierte moderne Technik mit ihren zahlreichen Einstellmöglichkeiten. Auch zusätzliche elektronische Hilfen, wie Nachtsichtgeräte, überfordern den älteren Menschen und lenken ihn mehr ab, als daß sie ihn bei seinem bereits eingeschränktem Nachtsehen unterstützen. Hinzu kommt, dass die Sinnesorgane nur begrenzt viele Reize verarbeiten können und dazu neigen sich auf die auffälligsten Reize zu konzentrieren und andere auszublenden. Kommen z.B. viele grelle Reize zusammen, wird evt. das Kind, dass auf die Strasse rennt, trotz angepasster Fahrweise, übersehen. Man spricht von "Distraction Blindness", Ablenkungsblindheit.
Durch die aerodynamisch schräg gestellten Scheiben treten die Hauptschnittwunden im Gesicht auf Augenhöhe auf, wenn man unangeschnallt bei einer Frontalkollision durch die Frontscheibe fliegt. Vor der Anschnallpflicht mußten daher in den großen Kliniken fast jede Nacht aufgeschnittene (perforierte) Augen genäht werden. In der Regel mit keinem guten Sehergebnis aufgrund der ausgedehnten Schnittwunden und der dann entstehenden Hornhautnarben. Daher gilt auch heute: ANSCHNALLEN.
Dem Airbag wird immer wieder unterstellt, daß er gefährlich für Brillenträger sei. Brillenträger sind jedoch nicht stärker gefährdet als Menschen ohne Sehhilfen. Oft fliegt die Brille schon vom Gesicht bevor der Airbag das Gesicht berührt. In den anderen Fällen gibt es einerseits weniger Oberflächenschäden durch die bei der Zündung freiwerdenden Chemikalien und andererseits stärkere Platzwunden durch das Gestell.
Allein aufgrund des zunehmend schlechter werdenden Kontrastsehens und des beginnenden Grauen Stars ist mit zunehmendem Alter das Fahren, vor allem in der Dämmerung und bei Blendung, schwieriger. Oben wurde bereits auf die häufige Fehleinschätzung der Autofahrer, was ihr Sehvermögen angeht hingewiesen. Jeder Augenarzt kennt auch die zahlreichen Patienten, die mit dem Auto zur Untersuchung kommen, meinen sie würden ja noch alles gut sehen und aufgrund ihres Sehvermögens “haushoch” durch einen Führerscheinsehtest fallen würden. Vom nachlassenden Hörvermögen und nachlassender Reaktionsfähigkeit gar nicht zu reden. Auch Selbstkritik, Aufmerksamkeit, Bewusstsein für die individuelle Verkehrssituation oder psychische Stabilität sind zusätzliche Faktoren, die für sicheres Fahren notwenig aber manchmal nicht mehr vorhanden sind.
Senioren verursachen statistisch gesehen mehr Unfälle als die Hochrisikogruppe der Fahranfänger. In Unterfranken z.B. war - bei insgesamt stetig steigender Anzahl der Verkehrsunfälle - die Altersguppe ab 65 Jahre, in den Jahren 2011 bis 2015, immer in mindestens 65% an den Verkehrsunfällen beteiligt (aus Polizeistatistik). Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft fordert wegen derartiger und eigener Zahlen daher, dass ältere Autofahrer ihre Fahrtüchtigkeit testen lassen. Ab dem 75. Lebensjahr sollten sie eine verpflichtende Kontrollfahrt an der Seite eines geschulten Fahrlehrers absolvieren. Die meisten EU-Staaten haben bereits diesbezügliche Altersbestimmungen. Verkehrsminister Dobrindt (2017), sein Nachfolger Andreas Scheuer (2019) und der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag (VGT in 2017) lehnen dies aber wegen fehlender statistischer Daten bzw. scheinbar unterproportionaler Beteiligung an Verkehrsunfällen ab. War ja im Wahljahr 2017 nicht anders zu erwarten. Zitat: “Für eine solche Entscheidung gebe es laut der Arbeitsgruppe des VGT noch keine ausreichende Datengrundlage. Es gebe zwar Hinweise darauf, dass ältere Menschen als Kraftfahrer ein zunehmendes Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen - aber eben noch keine Beweise.” Böse Zungen sehen hier auch den Einfluß der Autoindustrie, die ja kein Interesse daran hat, dass womöglich ältere Barzahler der hochpreisigen Modelle ausfallen. Letztendlich sind laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes Senioren in über zwei Drittel der Unfälle (68,2 Prozent), in die sie verwickelt sind, auch Verursacher ! Bei den über 75-jährigen sogar zu 75% !!
Wie kommt es eigentlich immer zu den unterschiedlichen Auslegungen der Unfallstatistiken von Senioren ? Zum Einen natürlich durch Voreingenommenheit und zum Anderen durch ungenaue Betrachtung. In der Gesamtzahl sind Senioren in den Statisktiken vergleichsweise unauffällig. Es werden generell alle über 65-jährigen gemeinsam betrachtet. Da es in der Gruppe der 65- bis 75-jährigen viele sehr gute und erfahrene Autofahrer gibt, wird das Ergebnis für die Senioren schon so positiv verzerrt. Die Probleme von älteren Autofahrern beginnen in der Regel erst nach dem 75. Lebensjahr. Weiterhin fahren ab 75 viele Frauen nicht mehr, entweder weil sie keinen Führerschein haben oder das Fahren schon vor Jahren aufgegeben haben. Vergleicht man nun die beiden Hochrisikogruppen der 18-21-jährigen Fahranfänger mit geringer Routine und oft schlechtem Verkehrsüberblick, die aber zu 80% Auto fahren mit der Gruppe der über 75-jährigen, die nur zu 40% noch fahren und dann auch noch nur kurze Strecken, kommt man zu falschen Ergebnissen, wenn man die Quote der Unfallverursacher pro 100.000 Einwohner in diesen Gruppen vergleicht. Man sollte immer das Verhältnis der Unfälle pro gefahrenen Kilometern in diesen Gruppen vergleichen. Dann schneiden die Senioren auf einmal mindestens so schlecht ab wie Fahranfänger und hier nehmen die Probleme mit der Zeit noch zu, während sie bei den Jugendlichen mit mehr Vernunft und Erfahrung dann abnehmen. Trotzdem kann man kein generelles Alter festlegen, in dem die Fahrtüchtigkeit nicht mehr gegeben ist. Jeder altert anders. Man sollte daher Sehteste und Überprüfungsfahrten ab 75 vorschreiben und so kann jeder selbst erkennen, wie verkehrstauglich er noch ist. Wer nicht mehr nachts und auf nur auf bekannten Strecken fährt, kommt sicher auch mit etwas geringeren Fähigkeiten noch zurecht. Er sollte bloß verstehen, wie gut oder schlecht er eigentlich wirklich ist.
Der Deutsche Verkehrsgerichtstag (VGT) ist eine jährlich stattfindende Konferenz für Straßenverkehrsrecht. Ihre Empfehlungen werden häufig in der Politik bei der Ausgestaltung von Gesetzen und Vorschriften berücksichtigt. Die Tagung, die seit 1963 stattfindet, befasst sich interdisziplinär mit allen Bereichen der Verkehrswissenschaft, wobei der Schwerpunkt bei der Rechtsprechung in Verkehrssachen liegt. Es nahmen rund 2000 Juristen und Experten für Verkehrsrecht, Verkehrssicherheit, Fahrzeugtechnik und Verkehrstechnik aus Forschung, Lehre und Praxis teil. Die Empfehlungen richten sich an den Gesetzgeber, sind aber nicht verpflichtend.
Je nach Konzentration des Blutalkohols, lässt das Sehvermögen immer mehr nach. Das ist dem Betroffenen allerdings nicht bewußt und er berücksichtigt es daher nicht bei seinem Fahrstil. Generell sollte nach Alkohol nicht Auto gefahren werden.
Wer muß und wer sollte eine Fahrtauglichkeitsuntersuchung machen ?
Wie kann ich meine Brille aus dem Führerschein wieder austragen lassen ?
Probleme mit der Gleitsichtbrille beim Autofahren
(Stand 02.06.2024)