Die Untersuchung des Gesichtsfeldes:

Was ist das Gesichtsfeld ?

Das Gesichtsfeld ist der Bereich, der uns umgebenden Welt, den wir mit beiden Augen gleichzeitig überblicken und wahrnehmen können, ohne die Augen zu bewegen (entspricht dem eingerahmten Bereich im Bild unten). Bei zusätzlicher Bewegung der Augen, wird natürlich ein noch weiterer Bereich erfaßt und man spricht dann von Blickfeld (das gesamte Symbolbild unten).

Wir sehen nie alles auf einmal

Das Gehirn bildet aus dem Bild beider Augen ein großes Gesamtbild, als wenn wir nur ein Auge hätten. Dies gelingt aber nur bei binokularem (beidäugigem) Sehen. Die Größe des Gesichtsfelds ist alters-, geschlechts- und aufmerksamkeitsabhängig. In der Jugend umfasst das waagerechte (horizontale) Gesichtsfeld 175 Grad und im Alter fällt der Wert auf 139 Grad ab, was insbesondere im Strassenverkehr von Bedeutung sein kann. Bei Frauen ist es etwas (2 Grad) größer und bei Konzentration auf eine Tätigkeit oder Stress wird es vorübergehend kleiner, da das Sehzentrum im Gehirn einfach den äußeren Berech ausblendet. In den Augen entspricht es dem Bereich der auf der ganzen Netzhaut abgebildet werden kann. Genauso wie die Netzhaut an verschiedenen Stellen unterschiedlich leistungsfähig ist, können wir in den verschiedenen Bereichen des Gesichtsfeldes unterschiedlich gut sehen. Wenn wir z.B. im Auto sitzen, können wir gut erkennen wer genau vor uns fährt. Kommt ein Auto von der Seite können wir das zwar mitbekommen aber richtig scharf (d.h. was ist das z.B. für ein Auto? Wer sitzt darin ?), sehen wir es erst, wenn wir den Kopf wenden und es genau anschauen. Dieser leistungsfähigste Sehbereich innerhalb des Gesichtsfeldes entsteht durch die hohe Leistungsfähigkeit in der Mitte der Netzhaut: Die Makula und hier insbesondere ihre Mitte, die Fovea (s.Netzhautbild). Nur die Fovea leistet 100% Sehschärfe. Zum Rande der Makula fällt das Sehen schon auf 30% ab und ausserhalb ist es noch weniger. Insofern sehen wir bei Betrachtung einer Buchschrift auch nur 2 Buchstaben gleichzeitig scharf und alles andere dient nur der Orientierung auf der Buchseite. Dieses maximale Sehen in höchster Auflösung existiert eben nicht in einem 175-Grad-Bereich, sondern nur in einem Bereich von 0,016 Grad !! Durch schnelle Augenbewegungen (Sakkaden) entsteht nur der Eindruck eines größeren scharfen Bereichs (s. Sehvorgang). Interessanterweise ist die Informationsmenge, die von den äußeren Bereichen der Netzhaut geliefert wird, bei Menschen, die von Geburt an oder seit Kindheit taub sind größer. Der seitliche Teil der Netzhaut wird dann stärker genutzt und ist leistungsfähiger. Dies ist wahrscheinlich eine Reaktion des Körpers, um mehr von der Seite mitzubekommen. Im Erwachsenenstadium ist hier auch durch Training keine Steigerung mehr möglich. Wichtig ist übrigens zu wissen, daß nicht alles was in unserem Gesichtsfeld zu sehen ist, von uns auch wahrgenommen wird. Dies hängt von unserer Aufmerksamkeit ab. Hierzu gibt es interessante Versuche, die zeigen, daß mitten in unserem Gesichtsfeld Dinge passieren können, die wir komplett übersehen/ausblenden, weil wir uns für etwas anderes interessieren (Aufmerksamkeitsblindheit). Zum Rand hin fällt zwar die Sehschärfe ab aber Lichtreize werden genauso stark wahrgenommen und können dadurch stark ablenken. Insofern kann flackerndes und helles Licht von der Seite (z.B. einzelne Lichtquellen, Lichtwerbung) enorm ablenken und die erforderliche Konzentration stören und zu schnellerer Ermüdung führen. Dies sollte man z.B. bei der Bildschirmarbeit berücksichtigen.

Was bedeuten Veränderungen des Gesichtsfeldes ?

Fallen bestimmte Teile des Gesichtsfeldes aus (Gesichtsfelddefekt, Gesichtsfeldausfall, Skotom), d.h. erkennen wir in bestimmten Bereichen nichts mehr oder nur sehr eingeschränkt, ist etwas in der optischen Achse im Weg oder liegt ein Schaden entweder der Netzhaut oder des weiterleitenden (Sehnerv) oder des die Bilder verarbeitenden Gewebes (Gehirn) vor. Zu bedenken ist bei diesen Untersuchungen jedoch, dass schon bis zu 30% der Sehnervenfasern beschädigt sein müssen, bis überhaupt ein Gesichtsfeldausfall nachweisbar ist. Hier liegen klare Grenzen. Der Patient selber merkt dies Ausfälle noch deutlich später (bis zu 70% Ausfall), da das Gehirn dazu neigt fehlende Information durch ("Phantasie") zu ergänzen und durch die in der Regel sich langsam entwickelnden Veränderungen eine Gewöhnung auftriff. An der Art des Ausfalls kann man bei manchen Erkrankungen gut erkennen wo das Problem sitzt.

Zu Ausfällen führen z.B. Netzhauterkrankungen, Netzhautablösungen, der Grüne Star, Verletzung oder Erkrankung des Sehnerven, Tumore im Auge, die Migräne, Hirnschäden durch Verletzungen, Tumore im Sehnervenverlauf oder im Gehirn wie z.B das Hypophysenadenom oder Schlaganfälle) aber auch Multiple Sklerose, Alzheimer und Parkinson. Bei bestimmten Arbeiten oder insbesondere im Strassenverkehr kann dann Untauglichkeit bestehen. Menschen, die z.B. am Grünen Star leiden, haben ein fünffach höheres Risiko als andere Verkehrsteilnehmer an einem Unfall beteiligt zu sein, und ein fast zehnfach erhöhtes Risiko, diesen verschuldet zu haben.

Abhängig ist das Gesichtsfeld übrigens auch vom Wachheitszustand und der psychischen Verfassung. Bei Übermüdung oder extremem Stress, “sieht” die Netzhaut bestimmte Dinge im äußeren Bereich des Gesichtsfeldes schon, aber sie werden im Gehirn ausgeblendet, es liegt ein “Tunnel- oder Röhrensehen” vor, da man “wie durch eine Röhre” schaut. Auch in der Folge eines traumatischen Ereignisses kann es zu einem Gesichtsfeldausfall kommen, da der Betroffene bestimte Dinge "ausblenden" will und muß. Über den Hintergrund und Zusammenhang ist er sich aber nicht bewußt und so etwas muß von einem erfahrenen Psychologen vorsichtig herausgearbeitet werden.

Dauerhaft gibt es das Röhrensehen bei der Retinitis pigmentosa. Auch hierduch kann die Strassenverkehrstauglichkeit stark eingeschränkt werden.

Durchblutungsveränderungen der Netzhaut, wie sie z.B. bei extremen Zentrifugalkräften (Kunstflug, Achterbahn) auftreten , können zur Gesichtsfeldeinschränkungen (Röhrensehen) oder bis zum “Blackout”(alles dunkel und dann Bewußtlosigkeit) führen. Die Seh/Gesichtsfeldeinschränkungen vor dem Blackout werden übrigens “Greyout” genannt. Dies ist ein Begriff aus der Flugmedizin. Vergleiche auch http://de.wikipedia.org/wiki/G-Kraft

Wie sieht sowas aus ?

Gesichtsfeldausfall bei Netzhautablösung Netzhautablösung

Oben erkennt man rechts das Netzhautbild einer Netzhautablösung. Links oben sieht man die Gesichtsfeldeinschränkung aus der Sicht des Patienten. Im Bereich der abgelösten Netzhaut (rechtes oberes Bild weißlicher Bereich) erkennt man nichts (linkes oberes Bild schwarzer Bereich). Da das Bild auf der Netzhaut umgekehrt und seitenverkehrt abgebildet wird, ist der Ausfall der Netzhaut zwar links oben aber den Defekt im Sehen hat man rechts unten. Weiterhin muß man bedenken, da man sich meist auf die interessanten Dinge direkt geradeaus konzentriert, kann dieser Ausfall teilweise lange nicht auffallen, bis er sich in den “Aufmerksamkeitsbereich” ausdehnt.

Unten im Bild sieht man das Ergebnis so einer Gesichtsfelduntersuchung (Fachausdruck: Perimetrie) beider Augen bei einer anderen Erkrankung. In der Mitte ist der Punkt den man sieht wenn man geradeaus schaut. Drumherum finden sich die äußeren Bereiche. Je dunkler der Bereich, desto schlechter arbeitet hier das Sehsystem. Der weiße Bereich ist der sogenannte “blinde Fleck”, hier mündet der Sehnerv in das Auge und existiert keine Netzhaut. Das Problem an Gesichtsfeldausfällen ist, daß sie unbewußt vom Gehirn häufig “ausgeblendet” werden und und z.B. die Information des anderen Auges verwendet wird, um einen Ausfall auf einer Seite zu kaschieren. Dann ist diese technische Überprüfung sehr hilfreich, da sie präzise den nicht funktionierenden Bereich anzeigt, dessen sich der Patient häufig gar nicht bewusst ist.

Klar abgegrenzte Ausfälle des Gesichtsfeldes nennt man übrigens Skotome. Hier gibt es relative Skotome, d.h. man sieht dort noch etwas aber schwächer, d.h. flauer und es gibt absolute Skotome, d.h. man sieht dort nichts mehr. Weiterhin gibt es einerseits positive Skotome, d.h. dunkle Flecken im Weg, wie bei der Makulopathie oder Netzhautblutungen und andererseits negative Skotome, d.h. an einer Stelle sieht man nichts, wie sie z.B. bei Sehnervenerkrankungen vorkommen. Die positiven Skotome werden als unbeweglicher "Fleck im Weg" wahrgenommen und die negativen Skotome fallen dem Patienten selbst gar nicht auf, da das Gehirn hier das Bild entweder mit "Phantasie" ergänzt oder das Bild des anderen Auges mitverwendet. Sie lassen sich nur in der Gesichtsfelduntersuchung nachweisen und haben große Bedeutung z.B. für die Fahrtüchtigkeit. Flimmerskotome, d.h. Stellen an denen man nicht scharf sehen kann aber ein “Flirren” zu sehen ist, sind meist vorübergehend und in der Regel mit einer Migräne verknüpft, schränken aber in dieser Phase auch die Fahrtüchtigkeit ein.

Unten ein bedeutsames Beispiel - vor allem beim Autofahren - für ein negatives Skotom. Man sieht jeweils wo der Untersuchte mit dem linken und dem rechten Auge wie gut sieht. Der jeweils schwarze Bereich bedeutet hier sieht der Patient nichts. Er hatte eine Hirnblutung auf der linken Seite. Dadurch wurde das dortige Sehzentrum zerstört. Da die linke Gehirnhälfte für die rechte Körperseite zuständig ist, kann er jetzt mit beiden Augen nach rechts nichts mehr sehen. Er übersieht also immer die vorfahrtberechtigten Autos. Er ist absolut fahruntüchtig aufgrund seines Gesichtsfeldes obwohl er im Sehtest noch 100% sieht. Diesen typischen Ausfall nennt man “binokulare homonyme Hemianopsie”, d.h. beidseitigen gleichseitigen Halbseitenausfall (vergleiche auch die Seite über den Schlaganfall). Auch im Alltag haben diese Patienten diverse Probleme, z.B. beim Lesen und beim Übersehen von Hindernissen im Alltag. Ihnen fehlt halt ein Teil der Textzeile bzw. der Schrank wird übersehen und sie rennen dagegen.

Gesichtsfeldausfall Homonyme Hemianopsie

Das große Problem an Gesichtsfeldausfällen und insbesondere an Skotomen ist, dass sie zwar bei der Gesichtsfelduntersuchung entdeckt werden, dem Betroffenen aber häufig nicht bewusst sind und schlimmer noch, dass das Gehirn eine “Bildergänzung” vornimmt, das bedeutet, dass Gegenstände oder gar Autos oder Personen im Strassenverkehr einfach übersehen werden, da das Skotom vom Gehirn ergänzt wird, das heisst dort sieht man scheinbar normal aber eben diesen Gegenstand nicht. Vergleiche auch die Seite über Optische Täuschungen.. Daher sollte bei bestimmten Erkrankungen un bedingt eine Gesichtsfelduntersuchung durchgeführt werden.

Wie wird es untersucht ?

Untersuchung des Gesichtsfeldes

Bei der sogenanten Gesichtsfelduntersuchung wird ein Ziellkreuz betrachtet während in einer beleuchteten Kuppel kleine Lichtpunkte auftauchen.(siehe Bild oben mit der Patientin vor der Kuppel, in der die Punkte zu sehen sind). Sobald man einen dieser Lichtpunkte erkennt, muß ein Knopf gedrückt werden. Aus den gesehenen und nicht gesehenen Lichtpunkten errechnet ein Computer (im obigen Bild unten rechts zu erkennen) eine Grafik (siehe Abbildung unten). Getestet wird jedes Auge für sich alleine (monokulares Gesichtsfeld), denn einzelne Ausfälle auf einem Auge würden beim beidäugigen Test (binokulares Gesichtsfeld) evt. gar nicht auffallen, da das gesunde andere Auge diesen Bereich sieht und im Gesamtgesichtsfeld, das im Kopf entsteht, der Ausfall dann nicht existent wäre.

Gesichtsfeldausdruck

Bei schleichend fortschreitenden Erkrankungen wie dem Grünen Star oder z.B. Hirntumoren sind regelmäßige Kontrollen des Gesichtsfeldes notwendig. Neben der normalen “Weiß-Weiß-Perimetrie” gibt es noch spezielle Gesichtsfeluntersuchungen, die teilweise Schäden der Nervenzellen noch früher anzeigen: Frequenzverdoppelungsperimetrie, Blau-Gelbperimetrie, und Flimmerperimetrie. Für den Patienten ist der Ablauf der Untersuchung aber ähnlich.

Gesichtsfeld und Photographie

Es gibt Photoobjektive mit den verschiedensten Brennweiten, die einen unterschiedlich großenBereich erfassen. Umfasst das Bild so ca. 40-50 Grad spricht man von Normalobjektiv. Dies ist bei analogen Kameras bzw. bei digitalen Kameras mit Vollformatchip bei einer Brennweite von ca. 50mm der Fall. Dies entspricht zwar bei weitem nicht dem normalen Gesichtsfeld aber man war bei der Schaffung dieses Begriffes der Meinung, dies entspricht am ehesten dem Bereich den wir beim Betrachten einer Landschaft bewußt “in einem Rutsch” erfassen. Die äußeren Bereiche unseres Gesichtsfeldes sind ja eher unscharf und werden von uns nur bei Auffälligkeiten beachtet und dann richten wir sowieso unseren Blick/Normalobjektiv darauf. Will man mit einer Photokamera alles erfassen, was dem menschlichen Gesichtsfeld entspricht, geht dies nicht einmal mit Ultraweitwinkelobjektiven (bis 115 Grad), sondern nur mit einem Fisheyeobjektiv (bis max. 180 Grad). Ein weiterer Grund von einem “Normalobjektiv” zu sprechen, ist die Vergrößerung. Teleobjektive z.B. vergrößern das Bild, indem sie es scheinbar “nah heranholen.” Keinerlei Vergrößerung, sondern die dem Auge entsprechende Größe der Dinge, hat man bei einem Objektiv mit 43mm Brennweite für Vollformatchips oder analogen Kleinbildkameras. Beim APS-C-Format, das die meisten digitalen Spiegelreflexkameras haben, muß hier der Vergrößerungsfaktor 1,6 eingerechnet werden. Dann hat eine Brennweite von 27mm ungefähr eine 1-fache Vergrößerung.

Kann man das Gesichsfeld trainieren ?

In gewissem Rahmen kann man die Aufmerksamkeit auf bestimmte Teile des Gesichtsfeldes konzentrieren. Vergleiche auch oben gegen Ende des ersten Absatzes, die Bemerkung zu taub Geborenen. Im Rahmen der neurooptischen Rehabilitation wird durch kompensatorisches Training (Visuelle KompensationsTherapie), Lichtstimulation (VisuelleRestitutionsTherapie) und die Apassung von Hilfsmitteln versucht dem Patienten einen möglichst selbständigen Alltag und die Teilhabe am sozialen Miteinander zu ermöglichen und zu erhalten. Nähere Informationen auch bei der Blindeninstitutsstiftung bzw. Anfrage per email an beratungszentrum@blindeninstiut.de. Beim sogenannten explorativen Sakkadentraining kann die räumliche Orientierung dadurch verbessert werden, daß der Patient lernt das blinde Halbfeld z. B. bei der Hemianopsie (s.o.) durch bewusste zusätzliche Augenbewegungen abzuscannen. Näheres auch unter Sakkadentrainier.

Informationen für Laien zu Sehstörungen nach Hirnschädigung:

  • Sehstörungen nach Hirnschädigung (von G.Neumann, A.-K.Schaadt, J. Neu, g. Kerkhoff, * Hogrefe Velag, Göttingen)

Infos im Internet:

Was ist das Gesichtsfeld ?

Die Biologieseite über das Gesichtsfeld

Kommerzielle Seite zur Visuellen Restitutionstherapie

Kommerzielle Seite zum Sakkadentraining.

(Stand 08.02.2023)