Nachtblindheit ist ein sehr seltenes Phänomen. Trotzdem ist vielen der Begriff bekannt und viele meinen, sie wären davon betroffen. Wie kann das sein ? Was steckt dahinter ?
(Symbolbild Nachtblindheit: depositphotos.com)
Das Auge kann sich an stark herabgesetzte Helligkeit anpassen. Jeder kennt das Phänomen, daß man beim Wechsel von einem hellen in einen dunklen Raum zunächst kaum etwas erkennt und nach einer Weile - bis zu einer gewissen Grenze - immer mehr sehen kann. Hierbei handelt es sich um eine Anpassungsreaktion der Netzhaut ( Dunkeladaptation) durch eine chemische Reaktion in den Sinneszellen (vergl. auch Sehvorgang). Diese braucht eine gewisse Zeit. In den ersten 15 Minuten geht es relativ schnell aber erst nach 45-60 min ist das Maximum der Leistungsfähigkeit erreicht. Schaut man dann kurzfristig ins Helle, stellt sich das Auge recht schnell wieder um und braucht dann leider wieder genauso lange um sich an die dunklen Verhältnisse anzupassen. Ist diese Dunkelanpassung nicht möglich spricht man von Nachtblindheit (Hemeralopie). Das Sehen in der Dämmerung ist dann schlecht und ab einer gewissen Dunkelheit - bei der Gesunde noch sehen können - nicht mehr vorhanden, man ist also blind. Daher auch der Name Nachtblindheit.
Wie bereits auf der Seite Bestandteile des Auges unter Netzhaut erklärt, sind für das Sehen in der Dämmerung die Stäbchen (Sinneszellen für das Schwarz/Weißsehen in der Netzhaut) zuständig. Störungen der Funktion der Stäbchen führen daher zu Problemen beim Sehen in der Dämmerung und bei Nacht.
Eine angeborene, vererbbare Minderwertigkeit des Stäbchenapparates, die sogenannte essentielle Nachtblindheit. Die Stäbchen funktionieren zwar, können sich aber nicht an geringere Beleuchtung anpassen. Daher ist hier bis auf die Nachtsehprobleme (Autofahren in Dämmerung und Nacht verboten !) alles andere normal: Sehschärfe, Gesichtsfeld und Farbsehvermögen (geht ja auch über die Zapfen -> siehe Netzhaut)
Vitamin-A-Mangel durch ungenügende Zufuhr oder Nutzung bei Magen-Darm-Erkrankungen und Leberleiden. Aus Vitamin A bildet der Körper das Farbstoffmolekül Retinal, dem entscheidenden Stoff im lichtempfindlichen Farbstoff der Stäbchen: Rhodopsin (Sehpurpur). Ohne dieses gelingt die Dunkeladaptation nicht. Im Gegensatz zur angeborenen Nachtblindheit ist diese Form durch entsprechende Zufuhr des Vitamins mit der Nahrung wieder zu beheben.
Erworbene Störungen der Stäbchenfunktion durch Erkrankungen der Netzhaut und des Sehnerven. Am bekanntesten ist die Retinitis pigmentosa. Eigentlich immer wenn große Teile der äußeren Netzhaut zerstört werden - hier sitzen nämlich die meisten Stäbchen - kommt es zu Problemen. Hier wären als Beispiel die diabetische Netzhauterkrankung und die Chorioretinitis zu nennen. Auch wenn die weiterleitenden Nervenfasern, die für den äußeren Bereich der Netzhaut zuständig sind, beschädigt werden - wie es z.B. beim Grünen Star oder bei einem Verkümmern des Sehnerven (Opticusatrophie) vorkommt - tritt ein Problem mit dem Sehen bei Dunkelheit auf. Im Unterschied zur angeborenen Nachtblindheit entwickelt sich hier die Nachtblindheit erst später und ist das Gesichtsfeld eingeschränkt, da der äußere Teil der Netzhaut nicht funktionsfähig ist.
Erhebliche Trübungen der Hornhaut und der Augenlinse (Grauer Star) führen zu einer starken Dämpfung des Lichtes und damit natürlich zu einem eingeschränkten Sehen bei Dunkelheit. Hier handelt es sich aber nicht um echte Nachtblindheit, sondern man spricht von vermindertem Kontrastsehen.
Während Andere - zwar aufgrund der geringen Beleuchtung eingeschränkt - noch sehen können, sehe ich nichts mehr. Nachts vor die Tür gehen ist unmöglich. Bei absoluter Dunkelheit allerdings sieht natürlich niemand etwas (siehe Bedeutung des Lichtes), das muß man schon unterscheiden.
Nachtblindheit bedeutet, daß man ab einem bestimmten Helligkeitsabfall - im Gegensatz zu Gesunden - gar nichts mehr sieht, also blind ist. Wenn man lediglich Probleme im Dunkeln hat - ein sehr weit verbreitetes Phänomen - kommen viele verschiedene Ursachen in Betracht und liegt keine echte Nachtblindheit vor (siehe unter Sehprobleme im Dunkeln und bei Nacht).
Es gibt bestimmte Geräte mit denen die Fähigkeit des Auges bei geringer Beleuchtung noch sehen zu können überprüft werden kann. Sie heißen entweder Mesoptometer oder Nyktometer. Mit dem Mesoptometer wird das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Anpassung der Netzhaut an die Dunkelheit gemessen. Beim Nyktometer wird das Kontrastsehen in der Dunkelheit mit und ohne Blendung gemessen. Letzteres ist vor allem für Autofahrer mit Nachtsehproblemen interessant. Bei den anderen Ursachen für schlechteres Sehen in der Dunkelheit kommen dann weitere Untersuchungsmethoden aus der Augenheilkunde zum Tragen wie die Gesichtsfelduntersuchung.
Nur wenn man die zugrunde liegende Krankheit wie bei der erworbenen Nachtblindheit (z.B. Chorioretinitis oder Vitamin-A-Mangel) bzw. Nachtsehschwäche (z.B. Grüner Star, Grauer Star) rechtzeitig behandeln kann, ist ihre Entwicklung zu stoppen. Bei der angeborenen Nachtblindheit oder bei der bisher nicht heilbaren Retinitis pigmentosa kann man nur Hilfestellung geben mit Schutzbrillen etc. Siehe auch unter Selbsthilfegruppen.
Die Nachtblindheit war schon den alten Ägyptern und Chinesen bekannt und wurde mit der Leber von Ochsen und Eseln behandelt. Im sogenannten “Ebers-Papyrus” - niedergeschrieben 1520 v.Chr. und damit der früheste medizinische Text, den wir kennen - ist bereits davon die Rede, daß man bei den alten Ägyptern den ausgequetschten Saft einer Tierleber direkt in die Augen des Patienten träufelte. Ein bei Vitamin-A-Mangel-bedingter Nachtblindheit durchaus vernünftiger Ansatz, da die Leber ungefähr neunzig Prozent der Vitamin-A-Vorräte des Körpers enthält und diese Form der Nachtblindheit durch Vitamin-A-Gabe rückgängig zu machen ist, wenn die Schäden nicht schon zu groß sind. 1817 konnte Jean Magendie beobachten, dass Hunde Hornhautgeschwüre entwickeln, wenn man sie mehrere Wochen nur mit Wasser und Zucker ernährt. 40 Jahre später erwies sich gekochte Rinder- oder Schweineleber oder auch Lebertran in der Nahrung als geeignet zur Vorbeugung und Heilung. In späteren Studien wurde dann das fettlösliche Vitamin A entdeckt.
(Stand 27.04.2024)