Eine immer weiter zunehmende Kurzsichtigkeit (progressive Myopie) und gehäuftes Vorkommen in der eigenen Familie führt insbesondere bei den Betroffenen zu den Fragen: Wie weit geht das noch, wann hört es auf, wie kann ich es stoppen und vor allem:
(Symbolbild Kurzsichtigkeit depositphotos.com)
Bisher dachte man Kurzsichtigkeit ist ein ausschließlich erblich bedingtes übermäßiges Längenwachstum des Auges das dann durch Brillen ausgeglichen werden muß. Über 100 Gene (Erbinformationen) auf den Trägern der Erbinformation (Chromosomen) im Körper sind daran beteiligt, aber nur bei 9% der Betroffenen kann die Kurzsichtigkeit rein genetisch erklärt werden. Die Kurzsichtigkeit ist auch nicht gleich bei der Geburt (nur 5% der Kleinkinder sind kurzsichtig) da, sondern kommt erst später (ab dem 7.-8. Lebensjahr oder erst am Anfang oder gar Ende der Pubertät) durch und schreitet voran, um zur Hälfte mit dem 16. Lebensjahr oder - mit Ausnahmen - spätestens zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr zu stoppen. In diesem Alter sind ca. 45% kurzsichtig geworden. Üblicherweise findet sich ein naher Verwandter (Eltern, Onkel, Großvater etc.) der es auch hat. Eine Studie von 2002 zeigte eine Wahrscheinlichkeit von 10-15% wenn ein Elternteil kurzsichtig ist und ein Risiko von 30-40% wenn beide Eltern kurzsichtig sind, auch kurzsichtig zu werden. Ein typischer Verlauf der Entwicklung sieht dann so aus: Mit 10 Jahren sieht das Kind noch normal und braucht keine Brille und mit 12 Jahren hat es auf einmal 2 Dioptrien (die Stärke der Kurzsichtigkeit), um dann mit 16 oder später fast den gleichen Wert wie der Vater zu haben. Bei der Entwicklung der Kurzsichtigkeit ist insbesondere zu bedenken, daß ein nicht geringer Anteil der Kurzsichtigkeit sich erst zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr entwickelt, also wenn der Betroffene ansonsten schon längst ausgewachsen ist. Laseroperationen zur Korrektur der Kurzsichtigkeit müssten daher wiederholt werden wenn sie zu früh (z.B. mit 18) erfolgen. Es sollte vor einer solchen Operation für mindestens 2 Jahre ein stabiler Brillenwert vorliegen.
Aus dem Alter bei Beginn der Kurzsichtigkeit kann man grob orientierend den wahrscheinlichen “End-Sehfehler” in Dioptrien (dptr) berechnen:
Die Formel lautet: (Alter bei Beginn x 0,5) - 11,5dptr = Endsehfehler.
--> z.B. Beginn mit 7 Jahren d.h. 7 x 0,5 = 3,5 -> 3,5 - 11,5 = minus 8 dptr im ausgewachsenen Stadium
Oder grob: Beginn mit 4-5 Jahren d.h. minus 8-9dptr, Beginn mit 10 Jahren d.h. minus 4-5dptr, Beginn mit 12-13 Jahren d.h. ca. minus 3 dptr.
Ob ingesamt ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit bei Ihrem Kind besteht, können sie HIER testen.
Die Bedeutung des Erbfaktors wird nach neueren Studien zunehmend als geringer angesehen. Hier handelt es sich eher um eine Neigung als eine alleinige Ursache. So ist die Vererbung wohl nur bei 9% vorhanden und erklärt auch nicht, warum so viele kurzsichtig werden, die in der Familie gar keine kurzsichtigen Verwandten haben. Als fördernde Hauptursache für die Kurzsichtigkeit wird heute hauptsächlich Lichtmangel und zu viel Naharbeit in der Kindheit und Jugend angesehen. Letztendlich ist es also eine Kombination aus Vererbung und Lebensstil. Siehe unten unter "Fördernde Faktoren" unten auf der Seite und in der Pressemeldung der Stiftung Auge.
Sonderformen sind z.B. die sehr seltene “maligne Myopie”. Hier kommt es (allerdings auch vererbbar) zu einer extremen Verformung des Auges, ein Wachstum das bis ins Extreme (bis 30 Dioptrien) weitergeht, nicht wie beim normal kurzsichtigen Auge irgendwann innehält und das Auge extrem schädigt. Die Gefahr für Schädigungen des Netzhautzentrums (Makula) bis fast zur Erblindung und Netzhautablösungen ist stark erhöht.
Von “pathologischer Myopie” (krankhafter Kurzsichtigkeit) spricht man bei Werten über 6 Dioptrien. Hier kommt es stark gehäuft zu zentralen Netzhautschäden mit Untergang der Netzhaut (Atrophie), Rissen, Aussackungen (Staphylom) und Narbenbildung, bzw. auch zu Gefäßwucherungen (choroidale Neovaskularisationen = CNV), vergleichbar der feuchten Makulopathie, zusammenfassend als myope Makulopathie bezeichnet und damit zu starker Sehminderung. 10% der hoch Kurzsichtigen haben eine myope Makulopathie und bei Werten über 14 Dioptrien ist das Risiko eine solche zu entwickeln 72 mal größer als bei Werten um 6 Dioptrien. Inzwischen können die Gefäßwucherungen mit der intravitrealen Injektion behandelt werden. Auch das Risiko von Netzhautablösungen ist bei hoch Kurzsichtigen nochmals erhöht.
Blutzuckerentgleisungen bei Diabetes und lange Naharbeit tagsüber können eine vorübergehende Kurzsichtigkeit bewirken. Ebenso Schwangerschaft, Durchfälle, Nierenversagen, Iridozyklitis, bestimmte Medikamente (Betablocker, Tetrazykline etc.). Dies ist natürlich bei der Brillenanpassung ein Problem und kann zu Brillenunverträglichkeit führen, weil diese dann nicht mehr stimmt.
Der Graue Star in der Sonderform der Kernsklerose kann eine zunehmend stärkere Kurzsichtigkeit bewirken. So kann es kommen, daß man nach jahrelangem Tragen einer Lesebrille, plötzlich im hohen Alter (vorübergehend) wieder ohne Brille lesen kann.
Auch nach bestimmten Netzhautablösungsoperationen (Silikonöl, Cerclage) und Operationen des Grünen Stars (Trabekulektomie) kann Kurzsichtigkeit auftreten.
In den restlichen Fällen ist die Ursache unbekannt. Dies lässt uns fragen:
Auffällig ist jedenfalls, daß in den Industrienationen in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme der Kurzsichtigkeit stattfindet. Ein Fünftel der Menschheit (1,4 Milliarden Menschen) ist inzwischen kurzsichtig. Im Alter von 12-17 Jahren sind es in Deutschland 21% (Studie aus 2020). In den USA sind es über alle Altersklassen 25-30% und in den asiatischen Ländern wie Japan, Taiwan, Hongkong und Singapur sind es inzwischen 71-96%. Das die asiatischen Länder so stark betroffen sind, führt man auf den dort höheren Bildungsdruck mit viel früherem Lesen und weniger Aufenthalt im Freien zurück. Die früher vermutete genetische Ursache bei Asiaten ist wiederlegt, allein schon durch die Tatsache, daß vor 70 Jahren, also vor diesen Änderungen des Lebenswandels, der Anteil der Kurzsichtigen noch sehr gering war. Aufgrund der möglichen Folgeschäden vor allem bei höherer Kurzsichtigkeit ist in Japan, China und Taiwan Kurzsichtigkeit zur Erblindungsursache Nr. 1 geworden. Für die USA wird prognostiziert, daß bis 2030 rund 39 Millionen Menschen an Myopie leiden werden und bis 2050 könnte diese Zahl auf voraussichtlich 44 Millionen in den USA ansteigen und weltweit wird 2050 wohl nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung kurzsichtig sein und 10 Prozent eine stärkere Kurzsichigkeit von über 6 Dioptrien entwickeln. Diese Aussage, die aus einer Studie aus 2016 abgeleitet wird ist unter Fachleuten allerdings umstritten. Man könne nicht für 30 Jahre so etwas seriös prognostizieren. Unter den Eskimos (Inuit) war die Kurzsichtigkeit weitgehend unbekannt (unter 2%) als sie noch ihre traditionelle Lebensweise führten. Dies änderte sich massiv (mindestens 50% bei ihren Nachkommen), als sie in feste Häuser und Dorfgemeinschaften umzogen.
Die Ursachen statistisch zu erfassen ist allerdings heikel, da hier dann Zusammenhänge entstehen können, die sich bei näherer Betrachtung nicht halten lassen:
Vor kurzem geisterte z.B. die Behauptung durch die Medien in einer Studie wäre bewiesen worden, daß das Anlassen eines Nachtlichtes im Kinderzimmer zur Kurzsichtigkeit führt. Bei genauerer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, daß die Eltern dieser Kinder vermehrt kurzsichtig waren und gerne ein Nachtlicht bei den Kindern tolerierten, da sie nachts im Kinderzimmer ohne Licht und Brille eben nicht so gut sahen, wenn das Kind mal rief. Das die Kinder kurzsichtiger Eltern aber auch vermehrt kurzsichtig werden, haben wir ja oben schon erklärt. Der Zusammenhang konnte also widerlegt werden. Soviel mal wieder zu statistischen Zusammenhängen.
In einer anderen Studie hat sich herausgestellt, daß in den Sommermonaten (Juni/Juli) die Wahrscheinlichkeit ein kurzsichtiges Kind zu bekommen am höchsten und in den Wintermonaten (Januar/Februar) am geringsten ist. Eine sinnvolle Erklärung für dieses rein statistische Ergebnis hat man nicht gefunden. Wahrscheinlich steckt ein ebenso exotischer Zusammenhang wie bei der Sache mit dem Nachtlicht dahinter. Also bitte jetzt nicht die Familienplanung danach ausrichten !!! :)). Was allerdings bewiesen ist, ist die Tatsache, daß die Kurzsichtigkeit in den Wintermonaten aufgrund des Lichtmangels und des vermehrten Aufenthaltes in den Räumen am schnellsten zunimmt (s. auch unten über die Bedeutung des Lichtes).
Die Gutenberg-Gesundheitsstudie der Universität Mainz postuliert, daß die Kurzsichtigkeit mit höherer Bildung und längerer Schulzeit zunimmt. Mit jedem absolvierten Schuljahr wird ein Mensch kurzsichtiger. Je höher der Schulabschluss, um so stärker ist die Fehlsichtigkeit. Dies mag zwar statistisch zutreffend sein, Bildung an sich ist aber keine Ursache für Kurzsichtigkeit, sondern eher das Verhalten das förderlich sein kann. Siehe hierzu auch unten fördernde Faktoren. Nicht jeder Professor ist kurzsichtig aber viele Kinder von Kurzsichtigen.
Die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit verhindern kann man definitiv nicht. Die Beeinflussung des Verlaufs und des Ausmaßes ist in einem gewissen Rahmen möglich.
Man hat Versuche mit Affen und Hühnern gemacht, denen man für Jahre stark falsche Brillen aufsetzte. Dabei stellte sich heraus, daß das Augenlängenwachstum (ein kurzsichtiges Auge ist ja meist zu lang) über die Bildschärfe im Auge gesteuert wird. Man konnte die Tiere dauerhaft kurzsichtig machen. Nahm man nur für wenige Minuten am Tag, diese Brillen ab, wurde dieser verfälschende Effekt aufgehoben und es kam nicht zur dauerhaften Kurzsichtigkeit. Nach dem derzeitigen Stand des Wissens kann man aus diesen Versuchen folgenden Schluß ableiten: Ständiges Nahsehen (Lesen, PC etc.) vor allem in frühen Jahren ohne zwischenzeitiges Sehen in die Ferne fördert die Kurzsichtigkeit. Um dies zu vermeiden sollte man am Besten alle 20 Minuten kurze (mind. 20 sec.) Pausen bei der Naharbeit machen und dann in die Ferne (Gegenstände in mind. 6m Entfernung) schauen. Einige Studien sprechen auch von 10 Minuten Pause alle 30 Minuten, dies ist aber im Berufsleben als konsequenter "Bildschirmarbeiter" kaum umsetzbar. Also einfach gesagt: “Nicht in der Bildschirmarbeitspause die Zeitung lesen, sondern nach draussen schauen”. So platt und falsch wie eine Illustrierte die titelte: “PC-Arbeit macht kurzsichtig”, sollte man es aber nicht formulieren. Nicht die PC-Arbeit macht kurzsichtig, sondern das dauerhafte Nahsehen ! Wobei hier das Lesen aufgrund der geringeren Entfernung entscheidender ist als die Arbeit am Bildschirm, der ja weiter weg steht. Versuche haben übrigens gezeigt, daß noch im Alter von 25 durch ein entsprechendes Sehverhalten eine Kurzsichtigkeit ausgelöst werden kann. Empfehlenswert ist es daher auch, auf einen ausreichender Abstand beim Lesen zu achten. Gerade Kinder lesen ja gerne "mit der Nase", sprich sie hängen zu nahe davor.
Lange Zeit hielt sich der Glaube, man solle eine Kurzsichtigkeit unterkorrigieren (nicht ganz den vollen Sehfehler ausgleichen, also die Brille zu “schwach” machen), damit sich das kurzsichtige Kind “tüchtig anstrenge” und nicht “aus Bequemlichkeit” immer mehr in die Kurzsichtigkeit rutsche. Leider hat dies den gegenteiligen Effekt und der Fortschritt der Kurzsichtigkeit wird so noch gefördert !!. Fazit: Eine volle Korrektur der Kurzsichtigkeit ist bei Kindern und jungen Erwachsenen der effektivste Weg.
Aktuelle Versuche der Universität Cambride haben die dringende Empfehlung zur Folge, kurzsichtige Kinder zum Spielen ins Freie zu schicken. Biologisch gesehen bedeutet ein hoher Lichtlevel (10.000 Lux und mehr, s.a. Bedeutung des Lichtes) mehr Dopaminausschüttung (Körperhormon) in der Netzhaut, was mit einer vorbeugenden Wirkung gegen das Längenwachstum des Augapfels einhergeht. Mit jeder Stunde, die auf Dauer pro Woche unter freiem Himmel verbracht wird und die das Kind ohne Computer, Handy, iPad und sonstige elektronische Medien sowie Bücher verbringt, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens der Kurzsichtigkeit nachweislich um 2%. Das heißt, um Gottes Willen, jetzt nicht den Kindern die Bücher wegzunehmen ! In der heutigen Zeit kann man ja froh sein, wenn ein Kind noch liest aber es heißt trotzdem: Spielen geht auch ohne PC und draußen ! In 2012 und 2013 erschienen erneut mehrere Studien aus Dänemark und Asien, die nicht nur den positiven Effekt des Verzichts auf zu viel Naharbeit herausstellten, sondern erneut dringend empfahlen viel Zeit unter freiem Himmel zu verbringen, um die Entwicklung der Kurzsichtigkeit zu bremsen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß in Australien nur sehr wenig Kurzsichtigkeit vorkommt. Man führt das auf den dortigen “Outdoor-Lebensstil” zurück, also zwar auch viel lesen aber so viel wie möglich in einer sehr hellen Umgebung draussen sein. Der Spitzenreiterfunktion in Sachen Häufigkeit der Kurzsichtigkeit Südkorea aber auch die asiatischen Länder im Allgemeinen ergibt sich aus der Tatsache, dass dort Bildung als sehr wichtig angesehen wird und die Kinder deutlich mehr Zeit mit Schularbeiten und Lernen in geschlossenen Räumen verbringen. In Taiwan gibt es jetzt einen Rückgang der Kurzsichtigkeit nachdem in den Schulen mehr Draussenaktivitäten in den Unterricht integriert werden. Eine Studie aus 2018 zeigte, dass 80 Minuten Outdoor-Aktivität pro Tag über ein Jahr das Fortschreiten oder generelle Auftreten der Kurzsichtigkeit schon um 50% reduzieren kann und bei 40 Minuten pro Tag über 3 Jahre um 30%. Die Empfehlung lautet daher: Kinder sollten mindestens 15 Stunden pro Woche bzw. 2 Stunden täglich draussen verbringen und zugleich sollten ihre Augen weniger als 30 Stunden pro Woche mit Naharbeit - Lesen, Fernsehen und die Beschäftigung mit Computern und Smartphones inbegriffen - beschäftigt werden. Übrigens Draussen mit dem Smartphone vor der Nase rumlaufen bringt da nix !!
Die augenärztlichen Empfehlungen und die der Bundeszentrale für gesundlheitliche Aufklärung (BzgA) zur Vorbeugung in Bezug auf die Nutzung elektronischer Medien bei Kindern lauten folgendermaßen:
Übrigens, da bei PC und Lesen der Abstand zwischen Augen und Bildschirm üblicherweise deutlich größer ist als bei Handys und Tablets, ist die Naharbeit dort also nicht ganz so intensiv und damit nicht ganz so bedenklich, wie die ständige Handynutzung.
Das Homeschooling während der pandemiebedingten Lockdownjahre 2020/21 hat die gesamte Problematik noch verschlimmert. Eine Reihenuntersuchung an 123.000 Schulkindern in China hat ergeben, dass sich die Kurzsichtigkeit der Sechs- bis Achtjährigen im Jahr 2020 im Schnitt um 0,3 Dioptrien gegenüber 2019 verschlechterte. Als Ursache für die Zunahme der kindlichen Kurzsichtigkeit in diesem Zeitraum könnten der seltenere Aufenthalt im Freien und das mit viel Bildschirmarbeit verbundene Homeschooling während des pandemiebedingten Lockdowns sein, wird vermutet. Die Deutsche ophthalmologische Gesellschaft (Wissenschaftlicher Spitzenverband der Augenärzte) rät daher allen Eltern, ihren Kindern während eines möglichen weiteren Lockdowns einen täglichen Aufenthalt von mindestens zwei Stunden im Freien zu ermöglichen. Dafür eignen sich gemeinsame Spaziergänge oder auch Spielplätze, die ja glücklicherweise während des derzeitigen Lockdowns nicht gesperrt sind. Auch sollten die Schreibtische der Kinder während des Homeschoolings möglichst in der Nähe großer Fenster stehen, um die Leuchtdichte zu erhöhen. Zudem empfehlen die Augenexperten, für den Online-Unterricht große Bildschirme zu nutzen und einen Augenabstand von mindestens einem halben Meter zum Monitor einzuhalten. Um kleinere Kinder von Smartphones fernzuhalten, die ebenfalls unter Verdacht stehen, Kurzsichtigkeit zu fördern, bieten sich Hörbücher an.
Seit mehr als 100 Jahren weiss man, daß das Augenlängenwachstum durch Atropin Augentropfen gebremst wird.
Mit den dafür bisher notwendigen 0,5% oder 1%igen Konzentrationen ist man jedoch blendungsempfindlich und kann nicht lesen und sie sind daher im Alltag nicht praktikabel. Vor allem bei kleinen Kindern sind die allgemeinen Wirkungen solch hoher Dosen von Atropin sowieso bedenklich. Seit den 90er Jahren arbeitet man daher weltweit mit niedrigeren Dosierungen (0,01 und 0,02%), die nebenwirkungsfrei sind. Eine neue Studie des Singapore National Eye Centers bei ostasiatischen Kindern bewies auch den gering positiven Einfluss von niedrig dosiertem (0,01%) Atropin einmal abends als Augentropfen. Der Einfluss auf den Brillenwert war - nach neueren Studien - zwar da, aber das Längenwachstum des Auges wurde nicht wirklich gestoppt. Also müsste man eigentlich etwas höher dosieren, was aber seltsamerweise noch weniger wirkte. Generell war die Atropingabe aber von Anfang an und ist noch umstritten und lässt sich auch nicht auf Kosten der Krankenkassen verordnen und das Medikament muss speziell von der Apotheke hergestellt werden, da es als fertiges Medikament nicht erhältlich ist. Langfristige Studien über eine mögliche Schädlichkeit des Atropins - das ja auch allgemein im Körper Wirkungen zeigt - fehlen ebenso, wie solche, ob nicht die kurzfristige (2-3 Jahre) nachweisbar positive Wirkung auf die Entwicklung der Kurzsichtigkeit, langfristig evt. gar nicht gegeben ist und ob es später nicht auf das Gleiche herauskommt. Zumindest bei den höheren Dosierungen ist dieser sogenannte Rebound, sprich das Auge holt wieder auf was gebremst wurde, bewiesen. Ungeklärt ist weiterhin die sinnvolle Therapiedauer und wie es ausgeschlichen werden muss.
Persönliche Meinung des Autoren dazu: “Warum bei einem gesunden Menschen ein Medikament anwenden, wenn man durch Verhaltensänderungen (ausreichender Leseabstand, viel Tageslicht) die gleiche Wirkung erzielen kann”.
Es gibt auch Studien, die den Verdacht nahe legen, dass der Einfluss auf das Längenwachstum sich nicht von einem Placebo unterscheidet. Zu Deutsch: Nur wer dran glaubt, dem hilft es ein bisschen. Um dies letztendlich zu klären begann im Oktober 2021 eine bundesweite Studie in Deutschland über den Einfluss von Atropin auf das Längenwachstum des Auges. Eine wissenschaftliche Studie in den USA, die 2023 fertiggestellt wurde, zeigt keinen Unterschied zwischen einem Placebo und niedrig dosiertem Atropin bei nordamerikanischen Kindern. Da ethnische (rassenbedingte) Unterschiede bei vielen Krankheitshäufigkeiten und auch bei der Kurzsichtigkeit bekannt sind, kann man anscheinend die positiven ostasiatischen Ergebnisse der Reaktion auf Atropin nicht auf unsere westliche Bevölkerung übertragen. Die massive Zunahme der Kurzsichtigkeit in diesen Ländern lässt sich in unseren Breiten auch nicht nachweisen !!!
Ein Weiterer interessanter aber auch umstrittener Ansatz sind spezielle Kontaktlinsen:
Inzwischen gibt es von mehreren Herstellern auch spezielle Brillengläser für das sogenannte Myopiemanagement:
Dahinter steckt das Wissen, daß Augen zwar zentral kurzsichtig sein können aber trotzdem formbedingt im äußeren Bereich weitsichtig sind und so die Neigung des Körpers besteht, dies ausgleichen zu wollen und noch kurzsichtiger zu werden. Um dies zu verhindern wird in der Mitte des Glases die Kurzsichtigkeit für den Alltag optimal korrigiert aber im äußeren Bereich die Weitsichtigkeit, durch eine andere Brillenstärke sogar in Richtung Kurzsichtigkeit überkorrigiert. Dies nimmt dem Körper die Notwendigkeit noch kurzsichtiger zu werden. Angewendet werden diese Gläser bisher vereinzelt bei kurzsichtigen Kindern zwischen 6 und 14 Jahren für 12 Stunden am Tag.
Bei asiatischen Kindern ist dieser Effekt in mehreren zwei bis dreijährigen Studien an Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren bewiesen worden. Es kam zu einer Verlangsamung der Entwicklung der Kurzsichtigkeit. Ob dies an der endgültigen Brillenstärke am Ende der Entwicklung etwas ändert, weiß man noch nicht. Bei europäischen Kindern gibt es jetzt auch eine erste Studie mit positiven Ergebnissen, die jedoch nicht sehr ausgeprägt in ihrer Wirkung waren. Weitere Studien müssen folgen. Aus den bisherigen Erfahrungen mit der Entwicklung der Kurzsichtigkeit und ihrer Beeinflussung, sind asiatische Kinder mit europäischen Kindern (Kaukasiern) nicht unbedingt vergleichbar. Es bleibt also noch abzuwarten was hier langfristig bei uns erreichbar ist. Zu bedenken ist auch, daß die Brillengläser sehr teuer sind, ab dem Grundschulalter bis zum 20. Lebensjahr jedes Jahr neue Gläser notwendig werden, der Erfolg ja mäßig ist und man durch Tageslicht und Sehverhalten wohl eher mehr erreicht. Es gibt aktuell 4 Firmen (Essilor, Visall, Rodenstock und Hoya), die diese Gläser (Essilor Stellest, Myoslow DF, Rodenstock MyCon und Hoya MiyoSmart) anbieten.
(Stand 11.11.2024)