Botulinustoxin (kurz Botox) ist das stärkste natürliche Gift, daß wir kennen. Es wird von einem Bakterium (Clostridium botulinum) gebildet und ist ein Nervengift. Das Bakterium kommt weltweit im Boden vor und vermehrt sich schnell in Tierkadavern. Verdorbene Lebensmittel stammen meist aus Konserven, insbesondere Wurstwaren, in denen sich das Bakterium unter Sauerstoffausschluß vermehrt und das Gift bildet. In den Körper gelant das Gift daher in der Regel durch Nahrung (Nahrungsmittelbotulismus) und seltener durch Wunden (Wundbotulismus). Mit wenigen Gramm könnte man bei “geschickter” Verteilung eine ganze Großstadt tödlich vergiften. Wie mit allen Giften ist es jedoch auch hier so: “Erst die Dosis macht das Gift”, d.h. in bestimmten geringen Mengen hat so manches “Gift” segensreiche Wirkungen. Bei Botulinus heißt dies, daß in hoch verdünnten Mengen, keine tödliche sondern eine praktisch verwendbare Wirkung, nämlich eine auf einige Monate begrenzte Muskellähmung auftritt. Dies geschieht durch eine Blockade des den Muskel aktivierenden Nerven.
Der Verzehr verdorbener Lebensmittel hat schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte zu Lebensmittelvergiftungen geführt. Ende des 18 Jahrhunderts gibt es viele schriftliche Belege zu den sogenannten "Wurstvergiftungen". Zwischen 1817 und 1822 beschrieb ein schwäbischer Landarzt den Zusammenhang zwischen bestimmten typischen Symptomen und dem Verzehr von Würsten und nannte das Krankheitsbild "Botulismus" vom lateinischen Wort für Wurst (Botulus). Es kommt dabei zu einer vom Kopf absteigenden Lähmung der Muskeln der inneren Organe und in schweren Fällen mit dem Endstadium der Lähmung von Herz- und Atemmuskulatur und dem Tod durch Ersticken oder Herzstillstand. Der Beginn der Symptome liegt immer im Augenbereich mit Doppelbildern, tiefhängenden Lidern (Ptosis), weiter Pupille und Verschwommensehen durch Lähmung des Muskels zur Scharfstellung (Akkommodationslähmung). In entsprechend geringer Dosierung wirkt Botulinustoxin nur örtlich. Der behandelte Muskel arbeitet schwächer oder garnicht.
1980 wurde es erstmals therapeutisch zur Behandlung von Schielen bei Kindern eingesetzt, indem durch örtliches Einspritzen einzelne Muskeln im Augenbereich gelähmt werden, um ein besseres Muskelgleichgewicht bei Schielproblemen herzustellen. Seit 1983 wird es in der Augenheilkunde zur Behandlung des Lidkrampfes (Blepharospasmus) verwendet und in der Neurologie bei unkontrollierten Muskelzuckungen im Gesicht, sowie in der Urologie bei bestimmten Blasenproblemen. Seit einigen Jahren wird es auch im kosmetischen Bereich genutzt, einserseits bei übermässigem Schwitzen und andererseits um Falten, die hauptsächlich durch zu starke Gesichtsmuskelaktivität entstehen, durch Lähmung dieser Muskeln an umschriebener Stelle, zu dämpfen. Inzwischen ist dies mit 16,4% der häufigste kosmetische Eingriff überhaupt (Zahlen von 2017). Typisches Beispiel sind die “Zornesfalten” (senkrechte Falten über Nasenwurzel), die waagerechten Stirnfalten und die “Krähenfüße” (Falten neben Augen). In diesen Fällen hatte sich die Unterspritzung mit sogenannten "Fillern" z.B. mit Hyaloronsäure oder früher Collagen allein, zur "Auspolsterung" meist als gering effektiv erwiesen. Durch Spritzen von Botox unter die Haut in bzw. die Nähe des entsprechenden Muskels wird der darüberliegende Hautbereich deutlich glatter, da die Haut nicht mehr durch den Muskelzug in Falten gelegt werden kann. Nur manchmal muß man - mit Hyaloronsäure z.B. - ergänzend tätig werden, wenn die Falten arg tief sind. Nachteil ist bei Botox wie bei der Hyaloronsäure der Preis und die zeitlich begrenzte Wirkung (3-6 Monate) der Behandlung. Ein weiterer Nachteil, der aber nicht von allen so empfunden wird, ist der Verlust an Mimik, d.h. das Gesicht wird “zu glatt”, die Emotionen sind gar nicht mehr so richtig sichtbar. Für Schauspieler z.B. eine nicht akzeptable Veränderung. Zunehmend werden auch andere Bereiche mit überaktiver Muskulatur mit Botox behandelt. Die Urologen verwenden es inzwischen sogar im Blasenbereich. die Wirkung tritt nach 2-7 Tagen ein mit einem Wirkmaximum nach 15 Tagen. Die Wirkdauer ist individuell unterschiedlich, mit einem Mittelwert von 3 Monaten. Ein Gegenmittel gibt es nicht.
Unter den möglichen Nebenwirkungen sollte nicht unerwähnt bleiben, daß wenn die Spritze nicht optimal sitzt, auch noch notwendige Muskeln vorübergehend (nie dauerhaft z. Glück) gelähmt sein können. Ein Beispiel wäre die tief hängende Augenbraue obwohl eigentlich nur die Stirn beruhigt werden sollte. Die Wirkung bildet sich immer komplett zurück und dauerhafte Schäden sind nicht bekannt. Das macht die Anwendung zu einer relativ ungefährlichen Sache, wenn auch vereinzelte sehr seltene Erkrankungen (z.B. Myasthenie) bekannt sind, bei denen man es nicht nehmen darf. Interessant ist weiterhin, daß insbesondere bei häufiger und hochdosierter Anwendung bei 20% der Patienten, die Wirkung mit der Zeit nicht mehr erzielbar ist, da das Gift durch Antikörper neutralisert wird.
Zurück zur Übersichtsseite über die möglichen Ursachen von Beschwerden am Auge
(Stand 25.06.2025)