Auf dieser Seite soll geklärt werden, was eine Schilddrüsenüberfunktion mit dem Auge zu tun hat. Hierbei wird insbesondere auf die Begriffe Morbus Basedow und Endokrine Orbitopathie, sowie die Folgen dieser Erkrankungen, eingegangen.
Die Schilddüse (lateinisch: Glandula thyreoidea) sitzt am Hals unterhalb des Kehlkopfes. Sie bildet die Schilddrüsenhormone. Dies sind Botenstoffe, die im ganzen Körper den Energiehaushalt und das Wachstum beeinflussen.
Symbolphoto Schilddrüse: depositphotos.com
Bei Erkrankungen der Schilddrüse kommt es unter anderem zu Änderungen des Körpergewichtes, der Hautbeschaffenheit und -durchblutung (Farbe, Dicke, Feuchtigkeit, Temperatur), der Stimme, der Stimmungslage, des Pulses, des Stuhlgangs und der Temperaturempfindlichkeit.
Die durch die Erkrankung entstehenden Veränderungen werden unterteilt in Formveränderungen (Knoten oder Kropf, letzterer mit Fachausdruck Struma genannt) und Überfunktion (Hyperthyreose) bzw. Unterfunktion (Hypothyreose). Eine der Formen der Schilddrüsenüberfunktion ist der Morbus Basedow. Die Krankheit heißt so, weil der Erstbeschreiber (1840) in Deutschland Carl Adolph von Basedow hieß (siehe unten) und “Morbus” im Lateinischen einfach Krankheit heißt.
Hier handelt es sich um eine anlagebedingte (genetisch) und dann durch äußere Faktoren ausgelöste Erkrankung bei der der Körper mittels Antikörpern gegen sich selbst kämpft. Man nennt so etwas auch Autoimmunerkrankung. Das heißt, das innere Abwehrsystem (Immunsystem) kämpft gegen Teile des eigenen Körpers. Im Fall des Morbus Basedow bewirken die Antikörper durch Anlagerung an die Schilddrüsenzellen eine übernormale Produktion von Schilddrüsenhormon (Hyperthyreose). Folge sind z.B. Nervosität, starke Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, Hitzeempfindlichkeit, Schwitzen, schnelle Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, Herzklopfen (Tachykardie), Gewichtsabnahme trotz gutem Appetit, Neigung zu Durchfällen sowie eine Vergrößerung der Schilddrüse. Begleitend kann es - insbesondere bei Rauchern - auch im Augenbereich zu Veränderungen kommen, der sogenannten "Endokrinen Orbitopathie" (s.u.).
Die typischen 3 Merkmale des Morbus Basedow (“Merseburger Trias” genannt, weil Basedow in Merseburg lebte) bei voller Ausprägung sind:
Anschwellen der Schilddrüse (Kropf bzw. Struma)
Beschleunigter Herzschlag (Tachykardie)
Hervortreten der Augen aus den Augenhöhlen (Exophthalmus bzw. “Glotzauge”). Daher auch die Bezeichnung “Glotzaugenkrankheit”.
“Orbitopathie” bedeutet auf deutsch “Veränderung in der Augenhöhle” und “endokrin” bezieht sich immer auf “Drüsen im Körperinneren” und die Schilddrüse ist ja eine innere Drüse. Bei der Endokrinen Orbitopathie handelt es sich um eine eigenständige Autoimmunerkrankung, die allerdings häufig vor, nach oder während eines Morbus Basedow auftritt und bei der die Antikörper sich in der Augenhöhle bemerkbar machen. Sie kann aber auch bei normaler Schilddrüsenfunktion oder sogar -unterfunktion vorkommen. Insofern darf man den Morbus Basedow nicht mit der endokrinen Orbitopathie gleichsetzen. Dies wird häufig getan, z.B. wenn man von “Basedowaugen” spricht, wenn man die typischen Augenveränderungen der Endokrinen Orbitopathie sieht. Nichtsdestotrotz muß bei einer Endokrinen Orbitopathie immer die Schilddrüsenfunktion überprüft werden. Es kommt bei dieser Erkrankung durch eine Autoimmunreaktion zu einer Entzündung und Verdickung der Muskeln hinter dem Auge, die später vernarben und stark beschädigt werden. Zusätzlich treten Flüssigkeitseinlagerungen insbesondere im Fett der Augenhöhle auf.
In der Folge finden sich folgende typische Augenveränderungen in allerdings unterschiedlich starker Ausprägung:
Wegen der weiten Lidspalte und der Einschränkung der Beweglichkeit der Lider kommt es zu einem Trockenen Auge mit den typischen Beschwerden und zusätzlich neben einer allgemeinen Rötung der Bindehaut ggf. noch zu einer besonders starken Rötung im Bereich der Muskelansätze seitlich am Augapfel.
Die Lider (Lidödem) und evtl. auch die Bindehaut (Chemosis) sind geschwollen.
Die Augen kommen wegen der Veränderungenn in der Augenhöhle nach vorne (Protrusio bulbi bzw. Exophthalmus). Meist auf beiden Seiten unterschiedlich ausgeprägt. Mit einem speziellen Meßgerät, dem "Exophthalmometer" ist dies meßbar.
Bei einem Drittel der Patienten kommt es durch die Muskelveränderungen zu Schielen und Doppelbildsehen.
In ganz extremen Formen kann sogar die Sehkraft beeinträchtigt werden. Dies wird entweder durch eine Beschädigung des Sehnerven oder durch Hornhautschäden durch Austrocknung und Entzündung hervorgerufen.
Weitere dezente aber typische Anzeichen, die nach ihren Entdeckern benannt wurden, sind das Zurückbleiben des Oberlides beim Senken des Blickes (“Graefesches Zeichen” nach Albrecht von Graefe 1864), der seltenere als normale Lidschlag (“Stellwagsches Zeichen” nach Karl Stellwag von Carion 1869) und die Konvergenzschwäche, d.h. Probleme auf die Nähe ohne Doppelbilder scharfzustellen (“Möbiussches Zeichen” nach Paul Julius Möbius 1883)
Auf dem Bild oben sehen Sie ein Beispiel von einem ausgeprägteren Befund als oben. Aber keine Angst !! So weit muß es nicht kommen ! Erst einmal ist die Erkrankung nicht bei allen so ausgeprägt und es gibt diverse Möglichkeiten therapeutisch und kosmetisch einzugreifen.
Zunächst müssen regelmäßige Kontrollen durch den Augenarzt und den Endokrinologen (auf endokrine Erkrankungen spezialisierter Arzt) erfolgen, um stadiengerecht gut eingreifen zu können. Dabei wird beim Augenarzt die Augenoberfläche mit der Spaltlampe und die Veränderungen in der Augenhöhle mit dem Ultraschall kontrolliert.
Die Behandlung der begleitenden Schilddrüsenerkrankung sollte früh begonnen werden, da so die Ausprägung der Augenveränderungen zumindest begrenzt werden kann. In fortgeschrittenen Stadien ist der Verlauf durch eine Schilddrüsenbehandlung kaum oder gar nicht mehr zu beeinflussen. Es wird über etwa ein Jahr mit Thyreostatika behandelt. Das sind Medikamente, die die Schilddrüsenhormonproduktion hemmen. Wird kein Erfolg erzielt, gibt es zusätzlich eine Radiojodtherapie, bei der eine kleine Menge radioaktiven Jods gegeben wird, die in 90-100% der Fälle zu einer Schilddrüsengrößenreduktion von 80% führt. Die Wirkung setzt sofort ein und die volle Wirkung ist nach 2-3 Monaten zu erwarten. Die Verträglichkeit ist sehr gut. Ergänzt wird dies durch Gabe von Kortison.
Bei aktiver endokriner Orbitopathie, also bei Auftreten der oben beschriebenen Veränderungen am und rund um die Augen, wird mit Kortisongaben in Tablettenform oder sogar intravenös behandelt. Bei massiven Problemen durch das vortretende Auge wird zusätzlich die Augenhöhle bestrahlt. Dies funktioniert aber nur im frischen Entzündungsschub. Sind schon Vernarbungen aufgetreten wird hier kein Erfolg mehr erzielt. Seit 2010 gibt es auch Antikörper (Teprotumomab, Rituxomab, Tocilizumab), die die Veränderungen in der Augenhöhle und damit die Entwicklung des Exophthalmus, also das Hervortreten des Augapfels verhindern. Ist durch den Druck in der Augenhöhle der Sehnerv bedroht, wird chirurgisch der Druck in der Augenhöhle durch Entfernung von Fettgewebe reduziert (Orbitadekompression).
Die Beschwerden rund um das trockene und gereizte Auge werden mit Salben nachts und künstlichen Tränen tagsüber behandelt. Evt. müssen die Tränenpünktchen verschlossen werden, damit die Tränenflüssigkeit besser genutzt wird.
Bei bestimmten Schielformen können Prismen in der Brille hilfreich sein. Gegebenenfalls ist sogar eine Schieloperation notwendig.
Die kosmetische Behandlung der zurückgetretenen Lider und des vorstehenden Augapfels kann bei Wunsch chirurgisch erfolgen. Hier gibt es spezialisierte Augenchirurgen und plastische Chirurgen. Operativ tätig werden sollte man aber nur bei stabilem Befund, d.h. wenn mindestens 6 Monate keine Veränderung mehr aufgetreten ist, da sonst die Dosierung des Eingriffs nachher nicht mehr stimmt. Eine unendlich lange Zeit für den Betroffenen, da er unter seinem Aussehen in der Regel massiv leidet. Die Lidaufhängungen können verlängert werden, damit die Lider wieder in ihrer normalen Position sitzen. Zur Rückverlagerung des vorgetretenen Augapfels kann in der Augenhöhle Fett entfernt (Fachausdruck: transpalpebrale Fettresektion) oder seitlich der Knochen mit einem Fenster versehen werden, damit der Druck nicht nach vorne geht. Das nennt sich Orbitadekompression. Eine Nebenwirkung sind allerdings häufig Doppelbilder nach dieser Operation. Dann muß gegebenenfalls noch eine Schieloperation angeschlossen werden. Verbliebene Lidschwellungen nach der Orbitakompression können mit einer Entfernung des Fettgewebes im Rahmen von Lidstraffungen der Ober- und Unterlider behoben werden.
Carl Adolph von Basedow lebte 1799 bis 1854 hauptsächlich in Merseburg. Er war praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer. Zwischen 1824 und 1853 veröffentlichte er zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur verschiedensten Gebieten, die seine Erfahrungen mit den Patienten zum Gegenstand hatten.1840 beschrieb er erstmals die kompletten Symptome dessen, was 1858 dann erstmals als “Basedowsche Krankheit” bezeichnet wurde. 1848 fasste Basedow dann die gesammelten Befunde in seiner Veröffentlichung über “Die Glotzaugen” noch einmal zusammen. Das eine Schilddrüsenkrankheit diesen Symptomen zu Grunde lag erkannte Paul Julius Möbius aber erst 1896. In der gleichen Zeit hatten zahlreiche andere Autoren in anderen Ländern auch zumindest Teile dieser Erkrankung beschrieben. Dies führte dazu, daß in diesen Ländern teilweise andere Bezeichnungen für das Krankheitsbild üblich sind. Im französichen Bereich spricht man von “Maladie de Demours” (Antoine Pierre Demours), im anglo-amerikanischen Schrifttum spricht man von “Graves´disease” (Robert James Graves) und in Italien schon mal von “malattia Flajani” (Guiseppe Flajani).
Kompetenznetz Immunthyreopathien
Info der Universitätsaugenklinik Würzburg zur Endokrinen Orbitopathie
(Stand 03.11.2024)