Der Blindenhund:

Geschichte der Blindenhunde:

Die Idee, Hunde als Führer einzusetzen, ist wohl keine Erfindung der Neuzeit: Schon auf einem Wandgemälde im altrömischen Herculaneum aus dem ersten Jahrhundert vor Christus findet sich das Motiv eines Hundes, der aller Wahrscheinlichkeit einem Blinden beisteht. Aber die Idee, die Tiere systematisch als Unterstützung für Blinde auszubilden, entstand erst nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Zunächst wurde sie von Leopold Senefelder, einem Wiener Arzt und stellvertretenden Leiter des österreichischen Dobermannvereins, vorgeschlagen. Die Behörden reagierten jedoch zurückhaltend. 1916 gründete Heinrich Stalling, Verleger und Vorsitzender des Deutschen Vereins für Sanitätshunde, in Oldenburg die erste Blindenführhundeschule der Welt. Im Oktober 1916 wurde der erste im Deutschen Reich nach zeitgenössischen Maßstäben systematisch ausgebildete Blindenführhund an den Kriegsblinden Paul Feyen übergeben. Bereits 1917 wurden insgesamt 100 Führhunde in Oldenburg ausgebildet und 1919 waren es bereits über 500. Um die Ausbildungsdauer dieser zahlreichen Tiere zu verkürzen, wurde ihnen das Lehrpensum mit Schlägen buchstäblich eingebläut . Anwohner der Anlage beschwerten sich 1920 bei der Gendarmerie: "Es kommt fast täglich vor, dass die Hunde von ihren Führern derart mit der Hundepeitsche misshandelt werden, dass man das Gejammer der Hunde nicht anzuhören vermag". Die Folge war, dass die verängstigten Tiere in der Hand ihres neuen Halters oft versagten. In der Zwischenzeit waren Blindenführhunde so bekannt geworden, dass 1923 der Deutsche Schäferhundeverein in Potsdam die zweite Führhundeschule der Welt eröffnete. Hindernisse wurden zur Ausbildung der Tiere auf dem Gelände eines ehemaligen Bauhofs installiert, die Potsdamer Innenstadt bot die Möglichkeit, die Hunde realistisch auf den städtischen Alltag vorzubereiten. Neue und gewaltfreie Methoden der Ausbildung wurden entwickelt, von denen viele noch heute in der Blindenführhundausbildung angewendet werden. Nicht einmal zehn Jahre nach der Gründung übergaben die Potsdamer Trainer den 1000. Führhund an einen neuen Halter. 1929 wurde die erste amerikanische Blindenführhundeschule namens "The Seeing Eye Dog" eröffnet. Zwei Jahre später, im Jahr 1931, entstand mit der "Guide Dog for the Blind Association" die erste Einrichtung dieser Art in Großbritannien. Jetzt, über 100 Jahre später werden ca. 300 Blindenführhunde jährlich in Deutschland ausgebildet. Führhundgespanne gibt es heute in Deutschland 2100 und in Europa 14.000. Aber erst im Jahr 1957 wurde beschlossen, dass Blinde unbegleitet auf die Strasse dürfen. Seit 1982 kann ein Arzt einen Blindenführhund als einziges "lebendiges Hilfsmitte" zur Orientierung und Mobilität von Blinden per Rezept verordnen.

Schwer sehbehinderter Patient mit Blindenlangstock, Führgeschirr und Blindenführhund

Ausbildung der Blindenhunde

Die bevorzugten Rassen, mit denen Führhundeschulen heutzutage in Deutschland arbeiten, sind unter anderem Labradore, Golden Retriever und deutsche Schäferhunde (s.a. Hier). Grundvoraussetzungen für einen solchen Hund sind ein friedfertiges und ruhiges Wesen, Freude daran mit Menschen zu arbeiten, Lernfreudigkeit, enge Bindung an seinen Hundeführer, ein gutes Sozialverhalten, kein terretoriales Verhalten und ein Fehlen eines ausgeprägten Schutz- und Wachtriebs. Insofern reicht die passende Rasse allein nicht, es muß eine Beurteilung des einzelnen Tieres aus seine Tauglichkeit erfolgen. Die Tiere lernen etwa 40 Hörzeichen und finden so Ampeln, Zebrastreifen, Eingänge oder auch Briefkästen. Der Hund muss z.B. lernen, auf Dinge zu achten, die für ihn nicht von Bedeutung sind, wie ein quer hängender Ast auf 1,50, Höhe. Er muss sich in einer Gefahrensituation, wie an einer Bahnsteigkante, der Anweisung zum Weitergehen wiedersetzen, sogenannter "antrainierter Ungehorsam". Die Ausbildung und auch die tägliche Arbeit ist jedoch sehr anstrengend für den Hund. Er braucht daher Ruhephasen, frei von seinen Aufgaben. Auch für bestimmte Hilfestellungen im Haushalt werden die Hunde trainiert. Man spricht inzwischen daher von Blindenführ- und Assistenzhunden. Während Blindenführhunde etwa blinde oder Menschen mit Sehbehinderung durch den Alltag navigieren, weisen Signalhunde gehörlose oder hörbehinderte Menschen auf Geräusche hin, assistieren Servicehunde Menschen mit Bewegungseinschränkung und warnen medizinische Signalhunde, wenn beim Menschen etwa ein epileptischer Anfall oder extreme lebensgefährdende Stoffwechselstörungen (z.B. bei der Zuckererkrankung (Diabetes)) drohen. Letzteres riecht der Hund bevor der Besitzer etwas merkt.

Probleme in der Praxis:

  • Man muss auch mit einem Hund umgehen können und ihn auch artgerecht versorgen können. Nur bei einem Drittel der Blinden, die einen Führhund bekommen klappt das reibungslos. Die anderen müssen sich aufgrund diverser Probleme wieder von ihrem Hund trennen.

  • Die Genehmigungsprozeduren sind langwierig und ein ausgebildeter Blindenführhund kostet je nach Ausbildungsstand zwischen 15.000 und 40.000 Euro. Vielleicht erklärt dies und obige Probleme, die geringe Zahl an Führhunden bei insgesamt 1,2 Millionen Blinden und Sehbehinderten in Deutschland. In Deutschland gibt es aktuell nur rund 3 000 Mensch-Assistenthund-Duos.

  • Sehende, insbesondere Kinder wollen häufig das Tier streicheln und stören so die Zusammenarbeit zwischen dem Hund und dem Blinden. Mit dem Anlegen des Führgeschirrs geht der Hund in den "Arbeitsmodus" und darf nicht abgelenkt werden.

  • Es gibt keine staatliche Anerkennung des Berufes des Ausbilders von Blindenführhunden. Es gibt zwar Kriterien aber die sind von 1993 und veraltet. Der DBSV (Deutscher Blinden und Sehbehindertenverband) hat wenig Hoffnung, dass die im Bundestag eingereichte Petition zur Standardisierung der Ausbildung Zustimmung findet. Es gibt viele “schwarze Schafe” in der Blindenführhundeausbildung. Es wurde daher die Stiftung Assistenzhund gegründet, die Konzepte zur Qualitätssicherung und Anerkennung für Teams entwickelt und mittelfristig als eine Art TÜV für die Ausbildung der Hunde dienen kann. Ziel ist, ab etwa 2025 die zertifizierte Ausbildung auch fördern zu können. Das Team arbeitet an besseren Förderstrukturen, damit künftig mehr Menschen dank Assistenzhund an Mobilität gewinnen und es gleichzeitig nicht mehr davon abhängig ist, wieviel Geld jemand zur Verfügung hat.

  • Ein Blinder hat nach einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen nicht automatisch Anspruch auf einen Blindenhund, nur weil er sich damit besser orientieren kann als mit einem Blindenstock. Damit die Krankenkasse ein Hilfsmittel bezahlt, müsse dieses nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch wirtschaftlich angemessen sein, urteilten die Celler Richter. Dazu müsse die Notwendigkeit im konkreten Einzelfall medizinisch nachgewiesen werden. (L 16/4 KR 65/12). Im verhandelten Fall war es die zusätzliche Schwerhörigkeit, die dann doch zur Genehmigung führte aber wie man sieht erst vor Gericht erstritten werden musste.

  • In Arztpraxen und Krankenhausräumen haben Tiere aus hygienischen Gründen normalerweise keinen Zutritt. Höchstrichterlich ist jedoch entschieden, dass dies für Blindenführ- und Assistenzhunde nicht gilt. Das Behindertengleichstellungsgesetz legt hier konkrete Regeln fest. Trotzdem gibt es immer wieder Probleme auch Zutritt zu Restaurants und Lebensmittelgeschäften zu bekommen.

Literatur/Internet:

Detlef Berentzen: Blindenführhunde Kulturgeschichte einer Partnerschaft. Ripperger & Kremers; 328 Seiten; 19,90 Euro.

Info im Internet zur Blindenführhundeausbildung

Wann hat man Anspruch auf einen Blindenhund ? s. ARAG

Es gibt auch blinde und sehbehinderte Hunde ! Hier ein Beispiel wie man ihnen helfen kann.

Wie wird ein Blindenführhund ausgebildet

Pfotenpiloten, Verein mit Sitz in Frankfurt, der drei Ziele verfolgt: die Aufklärung der Öffentlichkeit über Assistenzhunde, die Qualitätssicherung und den Aufbau wirksamer Förderstrukturen für ihre Finanzierung.

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(Stand 28.02.2024)