Die Lidrandentzündung, mit dem medizinischen Fachausdruck “Blepharitis” genannt, ist eine entzündliche Rötung und Schwellung von teilweise auch verkrusteten und verklebten Lidrändern mit dem Gefühl von drückenden und juckenden Augen, die in der Regel Erwachsene betrifft.
Sie ist nach dem Trockenen Auge und den Sehfehlern eine der häufigsten Diagnosen in der Augenarztpraxis. Von wenigen akuten, auf Antibiotika gut ansprechenden Formen abgesehen, handelt es sich in der Regel handelt um einen chronischen Befund aufgrund einer anlagebedingten Fehlfunktion der Lidranddrüsen, mit beschwerdearmen Phasen, scheinbarer Heilung und starken Rückfällen. Die Therapien führen schon zu Besserungen aber eine permanente Heilung gelingt in der Regel nicht. Man muss halt "dran bleiben".
Meist liegt eine generelle Hauterkrankung wie die seborrhoische (gesteigerte Talgproduktion) oder atopische (Allergieneigung) Dermatitis (Hautentzündung) oder eine Rosazea vor, die sich halt auch an den Lidern, als spezialisierter Teil der Haut, bemerkbar macht. Es finden sich sodann anlage- oder infektionsbedingte chronische Entzündungen der Wimpernbasis und Veränderungen der Talgdrüsen und ihrer fettigen Absonderungen im Lidkantenbereich. Talgdrüsen sind Hautdrüsen, die eine fettige Flüssigkeit bilden, um die Oberfläche zu “schmieren”, zu schützen und zu pflegen. Talgdrüsen gibt es überall auf der Haut und einige besondere Formen eben auch an den Lidern. Sie heißen Meibomdrüsen, sitzen in den Lidern und münden an der Lidkante, um diese zu “schmieren” und so die Lider besser gleiten zu lassen, bzw. eine fettige Schutzschicht über den Tränenfilm zu legen.
Man unterscheidet 3 verschiedene Formen der Lidrandentzündung aber Mischformen sind häufig:
Typ 1: Die durch eine Infektion mit Bakterien bedingte vordere Staphylokokkenblepharitis: Es liegt eine chronische Entzündung der Wimpernbasis mit kleinen Gewebseinschmelzungen (Abszessen) vor. Entfernt man die Krusten, die an der Basis der Wimpern sitzen, kann es leicht bluten. Langfristig kann es zum Ausfallen von Wimpern (Madarosis, s. Bild unten) kommen und Narben und Einkerbungen der Lidkante führen zu schief stehenden Wimpern, die auf der Hornhaut scheuern (Trichiasis). Es besteht eine Neigung zu Gerstenkörnern und Trockenen Augen.
Typ 2: Eine anlagebedingte Funktionsstörung der Talgdrüsen der Lidkante, die seborrhoische vordere Blepharitis: Hier kommt es zu einer Veränderung der Talgdrüsenflüssigkeit, die zu einer Verstopfung der Drüsen und zur fettigen Schuppenbildung (ein bißchen wie die Schuppen in den Haaren) und verklebten Wimpern führt. Das Lid ist weniger stark entzündet und gerötet und kann teilweise von weitem unauffällig aussehen.
Typ 3: Schwerpunktmäßiger Befall der Meibomdrüsen, die chronische posteriore Blepharitis: Man spricht dann auch von einer Meibomdrüsendysfunktion in ihrer Folge. Insbesondere Rotblonde neigen dazu. Fördernd wirken Rauch, Magen-/Darmstörungen, nicht korrigierte Weitsichtigkeit, Staub, die Hauterkrankung Rosazea etc. An der Lidkante können sich kleine Talgpfropfen (Ölkügelchen) auf den Ausführungsgängen der Drüsen bilden (man sieht im Spiegel kleine gelbe Knötchen auf der Lidkante, siehe Bild unten)
oder aber das Sekret ist eingedickt und kommt auf Druck zahnpastatartig aus der Lidkante heraus bzw. durch fettspaltende Enzyme von Bakterien kann ein schaumiges Lidrandsekret entstehen (s. Bild unten), das den Tränenfilm instabil werden lässt und zu einem Trockenen Auge führt.
Ergänzend können vorliegen:
1.) Einen entzündungsfördernden Einfluß, zusätzlich bei den oberen Formen, kann auch ein Befall der Wimpern mit Milben (Demodex) haben. Sie leben in den Haarwurzelhüllen (Haarwurzelfollikeln) der Wimpern (daher auch Haarbalgmilben genannt), erscheinen in der Nacht, paaren sich, legen ihre Eier auf die Wimpern und kriechen am Morgen wegen ihrer Lichtempfindlichkeit wieder in die Haarwurzelhülle. Der Befall ist schwer beweisbar, da sie so klein sind, dass man sie ohne Mikroskop nicht erkennt. Insofern bleibt es eine Verdachtsdiagnose und bei nicht anschlagender Therapie bei den obigen Blepharitisformen, sollte man an Demodexbefall denken. Deswegen auch gleich der Hinweis an alle Übersensiblen, die sich jetzt gleich vor Ekel schütteln ("Iiih, da krabbelt was auf mir rum"): Auf eurer Haut, Schleimhaut und in eurem Darm tummeln sich auch Milliarden von Bakterien und davon bekommt ihr auch nichts mit und die Hausstaubmilben in eurem Bett sind auch da ohne, daß ihr deswegen unreinlich seid. Das darf man nicht mit Läusen und ähnlichen Krabbelviechern, die auf mangelnde Hygiene zurückzuführen sind, vergleichen.
2.) Eine Sonderform stellt die allergische Entzündung der Lider und der Bindehaut, die allergische Blepharokonjunktivitis dar. Blepharokonjunktivitis sagt man, wenn eine Lidentzündung (Blepharitis) und eine Bindehautentzündung (Konjunktivitis) gleichzeitig vorliegen. Typisch für eine allergische Lidentzündung ist die über das ganze Lid ausgedehnte, ballonartige, juckende Schwellung.
Die persönlich empfundenen Beschwerden geben leider keine verlässlichen Aufschluss über die Form der Blepharitis und werden durch die Störungen der normalen Funktion der Augenoberfläche und die Verminderung der Tränenfilmstabilität hervorgerufen. Reiben, Jucken, verklebte, verkrustete und gerötete Lidränder und bei fortgeschrittenen Befunden scheuernde Wimpern und Wimpernausfall. Die Beschwerden sind morgens meist am stärksten und stark schwankend. Auch das Ausmaß des Befundes und die Stärke der empfundenen Beschwerden stehen in keinem offensichlichen Verhältnis. Vereinfacht kann man sagen, juckende und gerötete Lidränder sind verdächtig und sollten abgeklärt und behandelt werden.
Bei näherer Betrachtung an der Spaltlampe finden sich, je nach Typ der Lidrandentzündung, mit unterschiedlicher Ausprägung, juckende, gerötete Lidränder, verklebte Wimpern, kleine Krüstchen um die Wimpernansätze, die Lidränder sind geschwollen und mit kleinen Krusten bedeckt. Entfernt man diese, sieht man kleine manchmal blutende Hautgeschwüre. Es kann langfristig zum Ausfallen der Wimpern (Madarosis), Fehlstellungen und Scheuern der schief gewachsenen Wimpern (Trichiasis, siehe auch unter Entropium) an der Augen kommen. Häufig entwickeln sich Gerstenkörner. Diese Veränderungen müssen natürlich nicht alle und dazu noch gleichzeitg vorhanden sein, denn es gibt auch sehr milde, optisch unauffällige und vor allem Mischformen bzw. mit einer der Veränderungen fängt es an. In der Folge kommen die ganzen Beschwerden des Trockenen Auges, mit dem Brennen der Augenoberfläche und dem Müdigkeitsgefühl der Augen aufgrund des nicht intakten Tränenfilms, hinzu.
Bei ausgeprägten und länger bestehenden Fällen, muss man sich bewusst sein, dass bis zu einer Besserung viele Wochen mit intensiver Therapie notwendig sind.
Bei der bakteriellen vorderen Lidrandentzündung gibt man antibiotische Augensalben und wenn dies nicht reicht ggf. antibiotische Tabletten dazu. Bei der seborrhoischen Lidrandentzündung braucht man dies nicht. Bei der hinteren Lidrandentzündung, insbesondere wenn sie mit einer Rosazea verknüpft ist, muss man auf jeden Fall Antibiotika als Tabletten geben, um die Bakterien davon abzuhalten weiterhin fettspaltende Enzyme, die den Tränenfilm schädigen, zu produzieren. Der Tränenfilm muss natürlich ausreichend durch Tränenersatzpräparate ergänzt werden. All diese Entscheidungen trifft zunächst der Augenarzt.
Selber tätig werden muss man aber auch, denn egal welche Hauptform der Lidrandentzündung vorliegt, immer wenn Krusten und Verklebungen, unter denen die Entzündung fortdauern kann, vorhanden sind, müssen diese mit sogenannter “Lidrandhygiene” entfernt werden, sonst kommt man in der Therapie auf keinen "grünen Zweig". Man macht sehr warme feuchte Kompressen (kein Kamillentee, wirkt häufig allergisierend) oder verwendet spezielle Reinigungsgele oder -schäume und entfernt die Schuppen anschließend mechanisch mit Tüchern. Auch die verstopften Talgdrüsen, vor allem bei der hinteren Lidrandentzündung, müssen entleert werden. Details dazu finden sich auf der Seite über die “Lidrandhygiene”.
Sind bereits Lidkantenveränderungen mit nach innen gekehrten Wimpern aufgetreten, müssen diese evt. operativ gerade gerichtet oder entfernt () werden.
Beim Befall mit Milben, erreicht man mit der Behandlung der Lidkanten mit Teebaumöl - in der Regel in getränkten Tüchern zur Lidkantenbehandlung - eine Besserung.
Bei der allergisch ausgelösten oder verstärkten Blepharitis muss antiallergisch vorgegangen werden. Vergleiche auch das Kapitel Allergien.
Sehr, da bei längerem Verlauf (viele Patienten kommen erst nach Jahren) immer mehr Lidrandveränderungen (Narben, Lidkanteneinkerbungen, scheuernde Wimpern etc.) entstehen, die nicht mehr “repariert” werden können. Das in der Folge entstehende Trockene Auge ist dann schon chronisch, d.h. man wird es nicht mehr los.
(Stand 06.02.2022)