(Symbolbild Herpesviren depositphotos.com)
Zunächst einmal muß man beim Herpes verschiedene Formen mit unterschiedlichen Folgen am Körper und den Augen unterscheiden. Es handelt sich nämlich nicht nur um einen Erreger, sondern um eine ganze Familie von unterschiedlichen Viren. Alle Herpesviren haben eins gemeinsam. Nach der ersten Infektion (Primärinfektion) in der Kindheit, die häufig unauffällig verläuft und gar nicht gemerkt wird und der anschließenden Abheilung, verbleibt das Virus dauerhaft im Organismus in inaktiver, nicht-infektiöser Form. Es "versteckt" sich in den nächstgelegenen Nervenknoten (Ganglien). "Schwächelt" das Immunsystem aus diversen Gründen, werden sie wieder aktiv und es kommt zu einem Wiederauftreten der Erkrankung von innen aus dem eigenen Körper, einer endogenen Reinfektion, im Gegensatz zu einer Ansteckung von aussen wie beim ersten Mal oder wie bei diversen anderen Infektionen. Es gibt aber auch Infektionen von aussen (exogen). Im Folgenden die verschiedenen Herpestypen:
Dieser Virustyp ist eine nicht seltene Entzündungsursache der Augenoberfläche. Etwas vereinfachend sprechen wir hier von "Augenherpes". Ist die Hornhaut - mit in der Spaltlampenuntersuchung meist leicht erkennbaren typischen Anzeichen - betroffen, bedarf es einer intensiven Kontrolle und Therapie, da es zu dauerhaften Narben der Hornhaut mit starken Seheinschränkungen kommen kann.
Hornhautherpes im Bild: Die Hornhaut ist zur Diagnostik mit einer gelblichen Flüssigkeit beträufelt und im blauen Licht der Spaltlampe sieht man links neben der Pupille den kleinen verästelten Bereich in der Mitte der Hornhaut. Dies ist der infizierte Bereich.
Leider verläuft die Herpesinfektion der Hornhaut häufig - abgesehen von der Rötung der Bindehaut - mit relativ geringen Beschwerden (z.B. kaum Schmerzen) und erst im fortgeschrittenen Stadium mit Seheinschränkungen kommt der Patient zum Augenarzt. Die Erkrankung ist dann in der Regel zwar noch heilbar - d.h. die Entzündung klingt ab - aber die Hornhauttrübung ist dann evt. dauerhaft. Der Augenherpes ist das beste Beispiel, daß man eine länger andauernde Rötung der Augen augenärztlich kontrollieren sollte. Leider gibt es immer wieder Fälle wo “erst mal” mit Antibiotika (die hier nicht wirken) ein paar Wochen anbehandelt wurde, ehe man zum Augenarzt ging. Der Herpes am Auge ist übrigens bei Erwachsenen nicht ansteckend, da die meisten in der Kindheit schon mit dem Virus in Kontakt geraten ist. Er ist lediglich ein "Rückfall", bei dem die Viren, die im Nervenknoten “schlafen”, wieder frei werden und entlang des Nervenverlaufs an die Oberfläche wandern. Betroffen ist immer der Nerv für die Gesichtssensibilität, der Nervus Trigeminus und hier ein ganz bestimmter Ast. Grund für den Rückfall ist ein zu diesem Zeitpunkt, z.B. durch andere Krankheiten, geschwächtes Immunsystem. Ähnlich wie der Lippenherpes (gleicher Virustyp, 90 % der Menschen haben den Virus in sich aber nur jeder 5. bekommt gelegentlich Lippenherpes) neigt der Herpes der Hornhaut zu Rückfällen. Interessanterweise gibt es kaum Personen, die sowohl zu Hornhautherpes als auch zu Lippenherpes neigen. Man nimmt an, daß die allererste Eintrittspforte der Viren in der Kindheit dies festlegt. Die Behandlung des Hornhautherpes (meist Gele und Salben) ist leider häufig sehr langwierig (Wochen bis Monate) und erfordert viel Geduld vom Patienten, da häufig kontrolliert werden muß. Vom Herpesvirus können übrigens fast alle Strukturen des Auges neben der Hornhaut befallen werden. Auch z.B. eine Netzhautentzündung (Retinitis) oder eine Regenbogenhaut- bzw. Aderhautentzündung ist möglich. In diesen selteneren schweren Fällen reicht eine Augensalbe nicht, sondern Tabletten und ggf. Infusionen sind zwingend, da die Augentropfen nicht soweit eindringen und Erblindung droht. Insofern ist der Augenbefall ein weitaus größeres Problem als der Lippenherpes, der ja nur eine spontan heilende "Lästigkeit" ist.
Der "Lippenherpes "wird auch "Stressherpes" oder "Herpes solaris" (Sonnenherpes nach zu viel Sonne) genannt. Er tritt bei Schwächung des Immunsystems durch Stress, zu viel UV-Strahlung aber bei manchen Frauen auch wenn sie ihre "Tage" haben, auf. Da er wie oben erwähnt eine endogene Reinfektion ist, also im Körper vorhandene Viren reaktiviert werden, ist er für gesunde andere Menschen, die bereits in Kontakt mit dem Herpesvirus Typ 1 kamen, nicht ansteckend. Man muß also nicht fürchten beim Küssen oder durch Reiben am Auge nach Kontakt mit den Lippen, eine Infektion bei diesen anderen Personen bzw. bei sich selbst auszulösen.
Gefährlicher als beim Hornhautherpes wird es beim Herpesekzem (Ekzema herpeticum), einer großflächig verlaufende Infektion bereits vorgeschädigter und entzündeter (ekzematöser) Haut mit Herpesviren, vor allem im Gesichtsbereich und der Lider, sowie dem möglichen Übergriff der Herpesviren auf das Gehirn als sogenannte Herpesenzephalitis, die in 50 % zum Tod führt. Dies tritt aber nur bei Patienten mit aktiver Neurodermitis oder schwer geschädigtem Immunsystem auf. Entweder haben sie sich selbst angesteckt, weil sie kurz vorher einen Lippenherpes hatten oder die Errreger kommen von anderen und dringen mit Leichtigkeit in die geschädigte Haut ein. In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine endogene Reinfektion, sondern um eine echte Infektion der Haut. Ist die Lidhaut betroffen (s. Bild unten), finden sich gelbliche Bläschen in Gruppen (unten im Bild). Im Gegensatz zum unten aufgeführten Herpes Zoster sind diese nicht an einen Nervenverlauf gebunden und es liegt daher kein scharf abgegrenzter Hautbefall vor. Von der Haut geht der Herpes simplex übrigens nicht auf das Auge und umgekehrt. Es ist sozusagen ein anderer Organbefall, nämlich in einem Fall die Haut und im anderen Fall das Auge. Intensive Therapie ist aufgrund der Lebensgefahr notwendig. Augenärztliche Kontrollen sind jedoch sinnvoll.
Typische Bläschen beim Herpesekzem
Hier gibt es keinen Augenbefall. Es handelt sich um eine ansteckende Geschlechtskrankheit und er kommt in der Regel nur im Genitalbereich vor.
Eine weitere Variante der Herpesgruppe ist das Virus, daß die Gürtelrose hervorruft. Hier treten gürtelförmig entzündliche Pustel am Rumpf auf. Man sprach früher auch von einer gürtelförmigen Wundrose, daher der Begriff. Wundrose ist ein altertümlicher Ausdruck für eine akute, örtlich begrenzte Hautentzündung. Der Fachausdruck für die Gürtelrose ist Herpes Zoster oder kurz Zoster. Ursächlich ist das Varizella-Zoster-Virus. Das gleiche Virus macht übrigens in der Kindheit die Windpocken (Varizellen). Es tritt nicht nur am Rumpf, sondern kann auch als Gesichtsrose auftreten und kann - muß aber nicht - dann eine Augenbeteiligung zur Folge haben. Diese spielt sich allerdings weniger auf der Hornhaut (wie beim Herpes simplex, s.o.), sondern mehr im Auge (Aderhautentzündung) ab. Bei Befall des oberen Gesichtsdrittels (Bild unten) , d.h. inclusive der Lider, muß immer ein Augenbefall überprüft werden.
Es muß jedoch trotz massiver Lidschwellung nicht unbedingt der Augapfel selbst betroffen sein, da dieser von einem Extranervenast versorgt wird. Die Ausbreitung der Viren in die Körperoberfläche geht nämlich von den Nervenknoten aus und folgt daher dem Nervenverlauf. Hochwahrscheinlich wird der Augenbefall jedoch, wenn die Nasenspitze auch mit Pusteln betroffen ist, da hier dann wohl auch der zugehörige Nervenast befallen ist, der auch ins Auge führt. Näheres siehe auch im Folgenden:
Die Gürtelrose bzw. Gesichtsrose ist so eine Art örtlicher Rückfall in die Windpocken bei herabgesetzten Immunsystem (Chemotherapie, Alter, Krebs, Autoimmunerkrankungen, Depressionen, etc.), denn der in der Kindheit erworbene Erreger ruht nach der Ausheilung der Windpocken in örtlichen Nervenknoten des für das die Sensibilität zuständigen Gesichtsnerven (Nervus trigeminus) und kann jederzeit wieder reaktiviert werden und sich entlang der Nervenverläufe wieder ausbreiten. Ein am Herpes Zoster erkrankter älterer Mensch kann daher auch ein Kind mit Windpocken anstecken. Infektiös ist der flüssige Inhalt der Pustel, nicht die ausgeatmete Luft. 350000 bis 400.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einer durch dieses Virus hervorgerufenen Infektion. Bei 20% der ehemaligen Windpockenerkrankten kommt es im Laufe des Lebens zu einer Reaktivierung. Die Wahrscheinlichkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu und bei den 85-jährigen sind 50% im Laufe des Lebens schon mal an einem Herpes zoster erkrankt.
Der Herpes Zoster beginnt meist mit leichtem Fieber, Kopfschmerzen und allgemeinem Krankheitsgefühl einige Tage oder bis zu 3 Wochen vor den Hauterscheinungen. Dann zeigen sich zunächst eine fleckige Hautrötung und schließlich kleine Bläschen in gruppenförmiger Anordnung. Dies ist entweder ringförmig am Rumpf (daher der Begriff: Gürtelrose) oder betrifft scharf abgegrenzt (entsprechend dem Nervenverlauf der sensiblen Gesichtsnerven) ein Drittel einer Gesichtshälfte (Gesichtsrose). Nur wenn der obere Gesichtsast des Nervus trigeminus betroffen ist (s.Bild oben), besteht Gefahr für das Auge. In der mittleren oder unteren Gesichtshälfte kann dem Auge nichts passieren. Eine Ansteckungsgefahr für bereits früher an Windpocken erkrankte Personen besteht nicht. Die Diagnose und Behandlung übernimmt jetzt der Hautarzt und stellte bei Verdacht auf mögliche Augenbeteiligung dem Augenarzt vor.
Die Augenbeteiligung tritt erst 2-4 Wochen nach Auftreten der Hautveränderungen auf.
Innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Hautveränderungen muss jedoch mit Tabletten (Visustatika) begonnen werden, um den Verlauf noch positiv beeinflussen zu können. Dies senkt auch die Rate der Augenbeteiligung. In den Augen können massive Entzündungszustände (Uveitis) und an der Oberfläche schwere Hornhautveränderungen im schlimmsten Fall bis zur Erblindung führen.
Im weiteren Verlauf kann es diverse Komplikationen geben. Die häufigste neurologische Komplikation ist die postherpetische Neuralgie, die in 10-30% der Fälle auftritt. Hierbei treten ca. 4 Wochen nach der Erkrankung massive stechende Gesichtsschmerzen auf, die mindestens einen Monat aber auch Jahre anhalten können. Die postherpetische Neuralgie ist der häufigste Grund für einen Selbstmord chronischer Schmerzpatienten im Alter über 70 !!
Seit Mai 2018 gibt es jetzt eine Impfung (Totimpfstoff: Shingrix®), die mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen das Auftreten des Herpes Zoster und besonders gegen die Nervenschmerzen in der Folge schützt. Sie wird sogar von den Krankenkassen ab 60 immer und ab 50 bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung bezahlt und ist sehr empfehlenswert. Es wird 2 mal im Abstand von 2-6 Monaten geimpft. Meist erfolgt dies in Form einer Kombiimpfung mit Grippe- oder Pneumokokkenschutzimpfung. Allerdings gibt es zahlreiche Verdachtsfallmeldungen, in denen Patienten in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Shingrix-Impfung an Herpes Zoster und ausgeprägten, teilweise bläschenförmigen (bullösen) Hautreaktionen erkrankt sind. Dies hat dazu geführt, dass eine Beobachtungsstudie gestartet wurde, um das abzuklären.
Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist in der deutschen Bevölkerung sehr weit verbreitet (90%) und enorm ansteckend. Es gehört auch zu der Gruppe der Herpesviren. Es ist der Auslöser der infektiösen Mononukleose, die auch als Pfeiffersches Drüsenfieber bekannt ist. Hier gibt es keinen Augenbefall.
Viele Erreger gibt es auch in einer "tierischen Variante", so auch das Herpes Virus. Es gibt zum Beispiel die sehr aggressive Variante des nur Pferde befallenden Herpes-Virus Typ EHV-1. Er ist für Menschen völlig ungefährlich. Was ja nicht für alle Erreger im Tierreich zutrifft. Manche, wie z.B. das Coronavirus, können auf den Menschen überspringen und sind auch nicht nur für eine Art gefährlich. Das Coronavirus befällt z.B. auch Katzen (auch Großkatzen wie Löwen), Menschenaffen (Gorillas etc.), Nerze etc. Das EHV-1 Herpesvirus ist für Pferde immer wieder tödlich. Die Krankheit ist schwer behandelbar, denn der Erreger bleibt für immer im Pferdkörper erhalten. Trächtige Stuten können ihre Fohlen verlieren und selbst scheinbar genesene Tiere später noch unter gravierenden Spätfolgen wie Lähmungen und Atemwegsproblemen leiden.
(Stand 16.04.2024)