Das Räumliche, Stereo- oder auch Dreidimensionales, kurz 3D-Sehen ermöglicht dem Menschen feine Arbeiten im Nahbereich, die ihn zu Urzeiten erst zur Herstellung von Werkzeugen befähigt haben.
Vor allem Tiere mit seitlich am Kopf befindlichen Augen, haben allenfalls einen schmalen Bereich für dreidimensionales Sehen, da sich das Gesichtsfeld der einzelnen Augen deutlich weniger überschneidet als beim Menschen und ein räumliches Sehen nur in diesem schmalen Bereich entstehen kann. Dafür ist ihr Gesamtgesichtsfeld größer, da sie auch etwas nach hinten sehen können. Fluchttiere wie Pferde oder Kaninchen, die ein großes Blickfeld grob überschauen müssen, tragen die Augen seitlich am Kopf, während Raubtiere, wie z. B. Katzen, die überlappende Blickfelder mit guter räumlicher Auflösung benötigen, die Augen vorn und eng beisammen tragen. Im Folgenden ein Mittelding, der Hund im Vergleich zum Menschen. Hier wird das Gesichtsfeld, zu Lasten des Bereiches mit räumlichem Sehen, geradeaus etwas erweitert, was bei der Jagd hilfreich ist, um auch nach den Seiten mehr mitzubekommen.
Räumliches Sehen gibt es natürlich nur wenn man zwei Augen hat und diese auch richtig zusammen arbeiten, sogeanntes binokulares (beidäugiges) Sehen. Liegt Schielen vor, das heißt die Augen schauen nicht genau gleich auf den gleichen Gegenstand, gibt es kein räumliches Sehen. Wie wichtig unser zweites Auge ist, spürt man im Selbstversuch schnell, wenn man mal ein Auge zukneift und dann einen Faden seitlich in ein Nadelöhr einfädeln will. Man hat dann kaum noch Tiefenempfinden und trifft zunächst immer davor und dahinter. Aber auch für schnelle Reaktionen und Entfernungseinschätzungen beim Nahkampf, beim Balancieren und Ballsport (z.B. Tischtennis, Badminton, Tennis) ist es unabdingbar. Die Wurfleistung im Basketball oder die Spielstärke im Football wird durch fehlendes dreidimensionales Sehen dagegen nicht beeinflusst.
Man betrachtet einen Gegenstand mit jedem Auge aus einer leicht anderen Richtung. Es entstehen also 2 verschiedene Bilder. Der Fachausdruck ist Querdisparation.
Selbstversuch: Daumen mit ausgestrecktem Arm direkt vor der Nase hochhalten und abwechselnd ein Auge zukneifen. Der Daumen scheint zu "springen", er steht jeweils woanders und sieht nicht genau gleich aus.
Im Gehirn werden diese beiden Bilder zu Einem zusammengefügt (fusioniert). Eigentlich müssten wir doppelt sehen aber das Gehirn “errechnet” ein Gesamtbild, als wenn wir wie ein Zyklop nur ein Auge in der Mitte hätten. Ein Kind von unter 2 Jahren “demonstriert” das sehr gut: Es hält eine Röhre zum Durchschauen zunächst nicht vor ein Auge, sondern zunächst an die Nasenwurzel. Diese Art des räumlichen Sehens, die Stereopsie haben allerdings nur Menschenaffen (Primaten) und hier wohl als erstes, die zu unseren Vorfahren gehörenden insektenfressenden Lemuren, die so, die aufgrund ihrer Tarnfarbe mit dem Laub verschmelzenden Insekten, erkennen konnten.
Während man beim echten räumlichen Sehen sozusagen mit beiden Augen zusammen etwas “hinter” den betrachteten Gegenstand sehen kann und dadurch die Entfernung unterschiedlicher Gegenstände hintereinander gut abschätzen kann, gelingt dies aufgrund des geringen Abstandes der Augen jenseits von 6-10 Metern nicht mehr (da sind die Bilder fast gleich) und mit einem Auge allein, bereits in der Nähe nicht. Trotzdem können auch Einäugige Tennis spielen und kann man auch jenseits der 10m Entfernungen abschätzen. Wie geht das ? Hier orientiert sich das Gehirn an anderen Anzeichen für Entfernung und Tiefe, den sogenannten monokularen Tiefenkriterien:
Bei bestimmten optischen Täuschungen wird dies geschickt vom Zeichner ausgenützt und man verschätzt sich.
Beide Formen des räumlichen Sehens ergänzen sich, ohne das wir uns dessen bewußt sind. Es geht sozusagen ganz "automatisch".
Wie so meist, ganz viele. Sehr häufig angewendet wird der Langtest (s. unten) bei dem man auch ohne die fähigkeit zum räumliches Sehen den Stern oben im Bild immer erkennen kann. Nur mit einem guten räumlichen Sehen sieht man zusätzlich noch ein Auto, einen Elephanten und einen Mond auf dem Bild (bildschirmtechnisch hier nicht klar genug erkennbar). Technisch handelt es sich um ein Beispiel eines “Random-Dot-Stereogramms”. Was so viel heißt, daß aufgrund einer speziellen Beschichtung 2 Bilder in der Oberfläche enthalten sind, die zufällige Punktverteilungen enthalten. In einem Bereich sind jedoch alle Punkte genau um einen gleichen kleinen Winkel gegeneinander versetzt. Dies wird als räumlich empfunden, so daß dieser Bereich, bzw. diese Figur, gegenüber dem Rest des Bildes nach vorne oder nachhinten versetzt erscheint. Auf einem Bildschirm lässt sich das leider nicht richtig darstellen. Im praktischen Leben spielt diese Fähigkeit der stereoskopischen Oberflächenbeurteilung in vielen handwerklichen Berufen eine große Rolle. So können bei diffusem Licht geringfügige Dellen eines Karosseriebleches einäugig nicht erkannt bleiben, während sie beidäugig sofort erkannt werden.
Während beim Langtest beide Augen frei bleiben können, basieren viele andere Tests darauf, beiden Augen verschiedene Bilder anzubieten, indem man Filterbrillen aufsetzt. Häufig wird eine Brille mit Polarisationsfiltern verwendet, bei der durch entsprechende Folien im Bild, das Bild der einen Folie nur links und das der anderen Folie nur rechts gesehen werden kann. Der Fachausdruck ist Polarisationshaploskopie und ein typisches Beispiel ist der Titmus-Test (Bild s.unten). Für Kinder werden die Fliege oder die Tiere auf dem Bild links unten verwendet. Kleine Kinder wollen nach der Fliege rechts greifen oder haben Angst. Größere Kinder können in den drei Reihen A-C erkennen, daß eins der Bilder räumlich ist, d.h. scheinbar nach “vorne” kommt. Das Gleiche gilt auch für die Zylindergruppen oben. Jeweils einer der vier Zylinder in jedem Quadrat scheint “nach vorne” zu kommen. Auch dieser Test ist auf einem Bildschirm nicht richtig darstellbar. Ein derartiger Test ermöglicht übrigens auch die Leistungsfähigkeit des räumlichen Sehens von Personen zu vergleichen, da mit jedem Quadrat der Bildunterschied kleiner wird und das räumliche Sehen besser sein muß. In bestimmten Berufen wird hier ein Minimalwert vorausgesetzt.
Üblicherweise wird durch spezielle Brillen an jedem Auge ein anderes Bild erzeugt, damit das Gehirn aus beiden Bildern eines macht. Meist erfolgt dies mit Polarisationsfiltern (im Kino), manchmal mit Rot/Grün-Filtern. Zu Schwindelerscheinungen und Übelkeit bei 3-D-Filmen siehe auch unter Schwindel. auf dieser Homepage.
Bei ursprünglich funktionierendem räumlichen Sehen, kann durch plötzliches Schielen, Sehverlust auf einem Auge oder aber auch vorübergehend im Rahmen einer Migräne, das räumliche Sehen verloren gehen.
Nicht verloren gehen aber schlechter entwickeln kann es sich evt. durch zu frühe und intensive Nutzung von elektronischen Medien bei Kindern (s.unter Vorsorge)
Rund fünf Prozent der Bevölkerung, also schätzungsweise rund vier Millionen Menschen in Deutschland, haben von vornherein kein räumliches Sehen und sehen die Welt nur in zwei Dimensionen. Dies kann nicht trainiert werden, sondern ist sozusagen ein "Geburtsfehler".
Übrigens auch durch Alterung lässt die Tiefenwahrnehmung und dadurch auch die Fahrtauglichkeit nach.
Dies hat mit dem räumlichen Sehen nichts zu tun. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit, sich dreidimensionale Gegenstände vorzustellen und sie in Gedanken von verschiedenen Seiten betrachten zu können oder Schnittbilder richtig zuordnen zu können. Eine Fähigkeit, die man z.B. zur Beurteilung von vielen diagnostischen bildgebenden Verfahren in der Medizin haben muss. Im Rahmen des sogenannten "Medizinertests" vor der Aufnahme des Studiums wird dies teilweise überprüft. Das Erlernen dieser Fähigkeit wird übrigens durch extensives Nutzen von elektronischen Medien wie Smartphones in frühen Kindertagen behindert (s.a. unter Vorsorge).
(Stand 18.02.2023)